Verrechnung von Altverlusten aus Kapitalvermögen mit abgeltend besteuerten positiven Einkünften aus Kapitalvermögen im Wege der Günstigerprüfung
BFH 29.8.2017, VIII R 5/15Die Kläger wurden im Streitjahr (2009) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2009 erklärten sie u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. rd. 6,1 Mio. € und beantragten die Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG und die Überprüfung des Steuereinbehalts gem. § 32d Abs. 4 EStG.
Das Finanzamt veranlagte die Kläger mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Einkommensteuerbescheid. Dabei wurden die Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG a.F. mit den dem gesonderten Tarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Kapitaleinkünften des Streitjahres verrechnet. Die danach verbleibenden Kapitaleinkünfte wurden den Einkünften i.S.d. § 2 EStG hinzugerechnet. Bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte i.H.v. rd. 6,3 Mio. € wurde gem. § 10d Abs. 2 S. 1 EStG der Verlustvortrag zum 31.12.2008 i.H.v. insgesamt rd. 4,4 Mio. € abgezogen. Das zu versteuernde Einkommen wurde mit den darin enthaltenen Einkünften aus Kapitalvermögen der tariflichen Einkommensteuer (§ 32a EStG) unterworfen.
Die Kläger machen geltend, dass es sich bei dem Verlustvortrag ursprünglich um negative Einkünfte i.S.d. § 20 EStG gehandelt habe. Diese seien nicht vom Gesamtbetrag der dem progressiven Steuertarif unterliegenden Einkünfte abzuziehen, sondern direkt von den gem. § 32d Abs. 1 EStG i.H.v. 25 % zu besteuernden Kapitaleinkünften.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH in der Sache keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die von den Klägern begehrte Verrechnung der Altverluste mit den im Streitjahr erzielten und dem gesonderten Steuersatz des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Kapitaleinkünften kann nur auf Grund eines Antrags auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 S. 1 EStG im Rahmen der tariflichen Steuer nach § 32a EStG erfolgen. Die von den Klägern auf Grundlage eines Antrags gem. § 32d Abs. 4 EStG begehrte unmittelbare horizontale Verrechnung der Altverluste aus § 20 EStG a.F. mit den Kapitaleinkünften, die dem gesonderten Tarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, hat das FG im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Eine allgemeine Berechtigung zur Verrechnung von Verlusten aus tariflich besteuerten Einkünften und positiven Kapitaleinkünften, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung ist ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - nach § 10d EStG festgestellte Altverluste aus Kapitalvermögen vorliegen. Denn auch dann ist erforderlich, dass die der Abgeltungsteuer unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte im ersten Schritt unter Verdrängung des § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG zu Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 2 bis 5 EStG werden, die dem Tarif des § 32a EStG unterliegen. Sie fallen dann nicht mehr unter die Beschränkungen des § 2 Abs. 5b EStG. Im zweiten Schritt können sie, da das Verrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 EStG insoweit nicht eingreift, mit den tariflich zu besteuernden Altverlusten aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Eine direkte Verrechnung der gem. §10d EStG festgestellten Altverluste mit den im Streitjahr erzielten und der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen innerhalb der Schedule schied daher aus.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es sich im Streitfall bei den auf den 31.12.2008 festgestellten Verlusten ursprünglich um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelte. Zum einen erfolgt die Feststellung des Verlustvortrags auf den 31.12.2008 gem. § 10d EStG nicht spezifisch nach Einkunftsarten. Die Altverluste haben damit ihre Eigenschaft als Kapitaleinkünfte verloren. Zum anderen unterlagen die Altverluste im Zeitpunkt der Verlustentstehung der tariflichen Einkommensteuer des § 32a EStG, so dass die Verrechnung mit den dem Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden positiven Kapitaleinkünften des Streitjahres voraussetzt, dass auch diese der tariflichen Einkommensteuer des § 32a EStG unterliegen. Dies kann nur über einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG erreicht werden. Aus dem Verlustverrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 EStG folgt auch keine direkte Verrechenbarkeit der Altverluste mit den Kapitaleinkünften innerhalb der Schedule.
Eine direkte Verrechnung der dem Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte mit den nach § 10d EStG festgestellten Altverlusten kann auch nicht aufgrund eines Antrags auf Überprüfung des Steuereinbehalts gem. § 32d Abs. 4 EStG erfolgen. Der Antrag führt nur dazu, dass Kapitalerträge, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, in die Veranlagung mit einbezogen werden. Dabei bleibt jedoch der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen des § 32d Abs. 1 EStG weiter anwendbar. Erforderlich für eine Verrechnung von Kapitaleinkünften, die dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, mit tariflich besteuerten negativen Einkünften ist jedoch, dass die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte selbst der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden. Diese Rechtsfolge kann nur durch einen Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG erreicht werden.
Die Voraussetzungen für die Anwendung der Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG waren im Streitfall erfüllt, da die Verrechnung des nach § 10d EStG festgestellten und der tariflichen Einkommensteuer nach § 32a EStG unterliegenden verbleibenden Verlustvortrags mit den im Streitjahr erzielten positiven Einkünften aus Kapitalvermögen zu einer niedrigeren Einkommensteuer führte, als die Summe aus tariflicher Steuer und einbehaltender Kapitalertragsteuer. Da der Antrag auf Günstigerprüfung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum für zusammenveranlagte Ehegatten nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge gestellt werden kann, war vorliegend die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG für die nach der Verlustverrechnung verbleibenden Kapitaleinkünfte ausgeschlossen. Diese gesetzliche Rechtsfolge verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), sondern ist sachlich gerechtfertigt.
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