27.06.2018

Verstößt § 52a Abs. 10 S. 7 EStG i.d.F.des JStG 2009 gegen das Rückwirkungsverbot?

Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor. Die Rechtsfrage, ob § 52a Abs. 10 S. 7 EStG i.d.F. des JStG 2009 gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, hat grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weshalb die Revision zum BFH zugelassen wurde.

FG Düsseldorf 30.1.2018, 13 K 2430/16 E
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Juni 2008 Pfandbriefe einer AG mit einer Laufzeit bis zum 20.12.2012 und einem Nominalwert von 300.000 € zu einem Kurswert von 83,65% erworben. Die Anschaffungskosten einschließlich der Nebenkosten beliefen sich auf 251.074 €. Die Pfandbriefe verkaufte sie nach Kündigung am 22.6.2009 zum Nominalwert von 300.000 € mit einem Gewinn von 48.925 €. In der Wertpapierbeschreibung wurden die Pfandbriefe als "Inverse floating rate Notes with interest linked to the 6-month EURIBOR" beschrieben. Die Anleihe wurde am 20.12.2004 ausgegeben. Für den Zeitraum vom 20.12.2004 bis zum 19.12.2005 wurde ein fester Zins von 7% gezahlt. Für die Folgeperiode sollte der zuvor gezahlte Zins zzgl. eines Aufschlags von 2% abzgl. des 6-Monats-EURIBOR gezahlt werden. Die Minimalverzinsung für alle Perioden belief sich auf 0% (flat).

Im Juli 2008 hatte die Klägerin Landesschatzanweisungen mit einer Laufzeit bis zum 28.12.2012 im Nominalwert von 300.000 € zu einem Kurswert von 82,55% erworben. Die Anschaffungskosten einschließlich der Nebenkosten beliefen sich auf 247.773 €. Sie verkaufte die Anleihen am 28.12.2009 zu einem Kurs von 100% und somit mit einem Gewinn von 52.226,28 €. In der Wertpapierbeschreibung wurde die Anleihe als "Callable Cumulative Coupon Inverse Floating Rate Notes with Interest linked to 6-month-EURIBOR" beschrieben. Auch in diesem Fall wurde zunächst ein fester Zinssatz (5%) gezahlt, während in den Folgeperioden der zuvor gezahlte Zins zzgl. eines festen Aufschlags abzgl. des 6-Monats-EURIBOR gezahlt wurde. Die Minimalverzinsung dieser Anleihe belief sich ebenfalls für alle Perioden auf 0%.

Die Klägerin gab in der Anlage KAP zu ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 die Veräußerungsgewinne aus den betreffenden Anleiheverkäufen an, vertrat aber in einem Beiblatt zur Einkommensteuererklärung die Rechtsauffassung, dass diese Gewinne steuerfrei zu belassen seien. Das Finanzamt schloss dem zunächst an. Später teilte es der Klägerin jedoch mit, dass es nunmehr davon ausgehe, dass die Gewinne aus der Veräußerung der Anleihen nicht hätten steuerfrei belassen werden dürfen. Es handle sich um Finanzinnovationen in Gestalt von Abzinsungspapieren, mit der Folge, dass die Erträge aus der Veräußerung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4a i.V.m. S. 4 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (a.F.) bzw. ab dem 1.1.2009 nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i.V.m. S. 2 EStG in der Fassung des UntStRefG 2008 (n.F.) zu besteuern seien.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Zu Recht hat das FG den Gewinn als Einnahmen aus Kapitalvermögen behandelt und der Abgeltungssteuer unterworfen.

Bei den Veräußerungserlösen aus dem Verkauf der beiden Anleihen handelt es sich gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. um steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen. Die Voraussetzungen waren erfüllt, da die Klägerin die Anleihen und damit Kapitalforderungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG veräußert hatte. Gem. § 20 Abs. 4 EStG ist unter dem Gewinn i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten zu verstehen. Das Finanzamt hatte daher mit Recht den Differenzbetrag zwischen den Anschaffungskosten und den Einnahmen aus der Veräußerung unter Abzug der Veräußerungskosten der Besteuerung unterworfen.

Dass im Streitfall § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Nr. 7 EStG n.F. anzuwenden war, folgte aus § 52a Abs. 10 S. 6 u. 7 EStG in der im Streitjahr 2009 gültigen Fassung. Die Grundregel des § 52a Abs. 10 S. 6 EStG griff, da hier die maßgeblichen Erträge aus der Veräußerung der beiden Anleihen nach dem 31.12.2008 zugeflossen waren. Die im § 52a Abs. 10 S. 7 EStG vorgesehene Ausnahme von diesem Grundsatz griff hingegen nicht. Mit dieser Vorschrift verfolgte der Gesetzgeber im Rahmen des UntStRefG zunächst das Ziel, dass Veräußerungsvorgänge im Bereich von Kapitalforderungen, die bis zum 31.12.2008 nicht steuerbar waren, es nicht allein deshalb werden, weil sie nach dem 31.12.2008 verwirklicht werden. Im Blickpunkt standen dabei in erster Linie die Erträge aus der Einlösung von festverzinslichen Wertpapieren, die unter Nennwert erworben worden waren. Die Regelung hätte aber auch dazu geführt, dass die Veräußerungsgewinne von bestimmten, vor dem 1.1.2009 angeschafften (sog. unechten) Finanzinnovationen bei einer Veräußerung nach diesem Stichtag von der Steuerpflicht ausgenommen gewesen wären.

Die Ergänzung dieser Vorschrift durch das JStG 2009 um einen zweiten Halbsatz ist daher als Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung zur Besteuerung bestimmter Finanzinnovationen zu verstehen. Diese Rechtsprechung betraf u.a. auch die im Streitfall vorliegenden Floater. Die Einfügung des § 52a Abs. 10 S. 7 2. Hs. EStG durch das JStG 2009 verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht gegen den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vertrauensschutzgrundsatz. Vorliegend handelte es sich um den Fall einer unechten Rückwirkung. Soweit - wie hier - belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor. Eine solche ist indes nicht grundsätzlich unzulässig. Die Rechtsfrage, ob § 52a Abs. 10 S. 7 EStG i.d.F. des JStG 2009 gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, hat allerdings grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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