13.02.2013

Veruntreute Beträge stellen keinen Arbeitslohn dar

Überweist sich ein Arbeitnehmer eigenmächtig unter Überschreitung seiner Befugnisse Geld, das ihm vertraglich nicht zusteht, so stellen diese Überzahlungen keinen Arbeitslohn i.S.d. § 19 EStG dar. Eine spätere  Änderung der Festsetzung der Lohnsteuer-Entrichtungsschuld ist unter den Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 S. 1 AO allerdings auch nach Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig.

BFH 13.11.2012, VI R 38/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine AG. In den Jahren 2003 bis 2007 hatte sich der für die Lohnabrechnungen und den gesamten Personalbereich zuständige Mitarbeiter L. höhere als ihm vertraglich zustehende Gehälter ausgezahlt. Die überhöhten Gehaltszahlungen wurden während einer Sonderuntersuchung durch einen Wirtschaftsprüfer im Juni 2007 bekannt. Im September 2007 beantragte die Klägerin die Änderung der Lohnsteuerfestsetzungen für die Zeiträume Februar 2003 bis Dezember 2006 i.H.v. insgesamt 55.345 €.

Das Finanzamt lehnte den Änderungsantrag ab. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage in Bezug auf die Lohnsteuer-Anmeldungen der Jahre 2005 und 2006 statt. Im Übrigen wies es die Klage wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist ab. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht entschieden, dass die Überzahlungen nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn des L. gehörten und die entsprechenden Lohnsteuerfestsetzungen insoweit nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden konnten, als sie noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen.

Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht oder nicht. Unerheblich ist auch, ob Zahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer bei diesem verbleiben können. Zum Arbeitslohn gehören daher auch versehentliche Überweisungen des Arbeitgebers, die dieser zurückfordern kann. Die Rückzahlung ist in diesem Fall erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Abflusses einkünftemindernd zu berücksichtigen.

Infolgedessen ergab sich im vorliegenden Fall, dass die vorliegenden Überzahlungen nicht als Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG anzusehen waren. Schließlich fehlte es bereits an dem Merkmal der "Gewährung" von Vorteilen. Denn dem L. wurden die über die vertraglich vereinbarten Beträge überwiesenen Zahlungen nicht "gewährt", sondern er hatte sich die entsprechenden Beträge eigenmächtig unter Überschreitung seiner Befugnisse zugeteilt.

Eine geänderte Festsetzung war ungeachtet der sich aus § 41c Abs. 3 EStG ergebenden Rechtsfolgen möglich. Zwar ist nach § 41c Abs. 3 S. 1 EStG die Änderung des Lohnsteuerabzugs nur bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig. Nach der Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung kann der Arbeitnehmer eine Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr verlangen, denn diese ist ein Beweispapier über den Lohnsteuerabzug, so wie er tatsächlich stattgefunden hat. Allerdings ist der tatsächliche Lohnsteuerabzug im Zusammenhang mit einer Lohnsteuer-Anmeldung oder einem anderen Stelle tretenden Festsetzungsbescheid nicht von Bedeutung. Denn bei der darin festgesetzten, mit der Zahlung des Arbeitslohns entstehenden Entrichtungssteuerschuld des Arbeitgebers handelt es sich um einen gesetzlich bestimmten "Sollbetrag" und nicht um einen durch den tatsächlichen Lohnsteuerabzug bestimmten "Istbetrag".

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