04.05.2023

Verwendung von Biogas zur Erzeugung von Strom

1. Strom wird nur dann i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG "aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt", wenn dabei tatsächlich ‑‑physikalisch‑‑ und nicht nur bei einer kaufmännisch-bilanziellen Betrachtungsweise erneuerbare Energieträger verwendet werden.
2. Strom, der mit einem aus dem öffentlichen Versorgungsnetz entnommenen Gasgemisch erzeugt wird, das neben Erdgas auch aus Biomasse erzeugtes Gas enthält, ist nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG von der Steuer befreit, weil Strom aus erneuerbaren Energieträgern nach § 2 Nr. 7 StromStG nur dann vorliegt, wenn er ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird.

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 17.1.2023 - VII R 54/20

StromStG § 2 Nr. 7, § 9 Abs 1 Nr. 1
BiomasseV § 2 Abs 1 S 1
StromStV § 1b Abs 2
EnergieStG § 28 Abs 1 S 1 Nr. 1
EGRL 96/2003 Art 15 Abs 1 Buchst b, 96/2003 Art 16 Abs 1


Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG ist Strom von der Steuer befreit, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und vom Betreiber der Anlage am Ort der Erzeugung zum Selbstverbrauch entnommen wird. Strom aus erneuerbaren Energieträgern ist gemäß § 2 Nr. 7 StromStG "Strom, der ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird, ausgenommen Strom aus Wasserkraftwerken mit einer installierten Generatorleistung über zehn Megawatt".

Der in § 2 Nr. 7 StromStG verwendete Begriff der Biomasse ist im StromStG nicht definiert. Nach § 1b Abs. 2 StromStV versteht man unter Biomasse i.S. des § 2 Nr. 7 StromStG ausschließlich Stoffe, die nach der Biomasseverordnung vom 21.07.2001 (BGBl I 2001, 1234), die zuletzt durch Art. 5 Abs. 10 des Gesetzes vom 24.02.2012 (BGBl I 2012, 212) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung als Biomasse anerkannt werden. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BiomasseV sind Biomasse im Sinne dieser Verordnung Energieträger aus Phyto- und Zoomasse. Dazu gehören insbesondere aus Biomasse im Sinne des Absatzes 1 durch Vergasung oder Pyrolyse erzeugtes Gas und daraus resultierende Folge- und Nebenprodukte (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 BiomasseV).

Das im Streitfall in einer Biogas-Aufbereitungsanlage erzeugte Gas ist somit ein erneuerbarer Energieträger. Aus der Verwendung des Begriffs "ausschließlich" im Rahmen der Definition in § 2 Nr. 7 StromStG ergibt sich allerdings, dass die Herstellung von Strom mit Gas aus dem allgemeinen Gasnetz, in das Biogas eingeleitet worden ist und sich mit dem dort vorhandenen Erdgas vermischt hat, nicht begünstigt ist.

Dass § 2 Nr. 7 StromStG in diesem Sinne zu verstehen ist, zeigt die Ausnahmeregelung in § 1b Abs. 1 StromStV. Mit dieser Regelung hat der Verordnungsgeber die insoweit in § 11 Nr. 9 Satz 1 StromStG eröffnete Ermächtigung genutzt, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Verordnungswege auf das Erfordernis der Ausschließlichkeit bei der Stromerzeugung aus Deponie-, Klärgas oder Biomasse zu verzichten, wenn die Zuführung anderer Energieträger technisch zwingend erforderlich ist. Nach § 1b Abs. 1 StromStV wird auf das Erfordernis der Ausschließlichkeit in § 2 Nr. 7 StromStG verzichtet, soweit eine Stromerzeugung aus Deponiegas, Klärgas oder Biomasse nur durch eine Zünd- oder Stützfeuerung mit anderen als den vorgenannten Stoffen technisch möglich ist.

Die Formulierung in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen unter weiteren Voraussetzungen gasförmige Biokraft- und Bioheizstoffe, unvermischt mit anderen Energieerzeugnissen, zu den in § 2 Abs. 3 Satz 1 EnergieStG genannten Zwecken steuerfrei verwendet werden. Ein Mischen mit anderen Energieerzeugnissen im Betrieb des Verwenders unmittelbar vor der Verwendung schließt für den eingesetzten Anteil an Energieerzeugnissen nach Satz 1 eine Steuerbefreiung jedoch nicht aus (§ 28 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG). Durch diese Regelung will der Gesetzgeber erreichen, dass eine Belieferung durch ein Leitungsnetz zum Ausschluss der Steuerbefreiung führt. Zwar findet sich der Zusatz "unvermischt" nicht in § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG, jedoch enthält § 2 Nr. 7 StromStG eine vergleichbare Einschränkung, indem auf die "Ausschließlichkeit" abgestellt wird.

Die Gesetzeshistorie stützt die hier vertretene Auslegung. Auch steht der vorstehenden Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG das Unionsrecht nicht entgegen.

Eine im energiewirtschaftlichen Kontext vertretene weite Auslegung des Begriffs der Biomasse kann nach Auffassung des BFH im Stromsteuerrecht nicht gelten, denn StromStG und EEG verfolgen unterschiedliche Zwecke.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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