27.03.2012

Vorbehaltsnießbraucher kann wirtschaftlicher Eigentümer von Gesellschaftsanteilen bleiben

Bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs, erwirbt der Bedachte sie nicht i.S.v. § 17 Abs. 2 S. 5 EStG, wenn sie weiterhin dem Nießbraucher nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen sind.  Der Nießbraucher bleibt wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.

BFH 24.1.2012, IX R 51/10
Der Sachverhalt:
Der Vater des Klägers war im Jahr 2001 mit 90 % an einer GmbH beteiligt. Er schenkte dem Kläger im gleichen Jahr einen Gesellschaftsanteil von 30 %. Im Jahr 2002 erwarb der Kläger einen weiteren Geschäftsanteil von 3,29 % von einer anderen Anteilseignerin. Im März 2004 übertrug der Vater dem Kläger dann drei weitere Gesellschaftsanteile von 65,83 %, behielt sich allerdings an den übertragenen Beteiligungen den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch vor.

Dem Nießbraucher gebührten danach die während des Nießbrauchs auf die Beteiligungen entfallenden ausgeschütteten Gewinnanteile. Außerdem bevollmächtigte der Kläger seinen Vater unwiderruflich zur Ausübung des Stimmrechts in sämtlichen Gesellschaftsangelegenheiten und verpflichtete sich gegenüber dem Vater, von seinem eigenen Stimmrecht hinsichtlich der übertragenen Anteile keinen Gebrauch zu machen. Nach Vertragsdurchführung betrugen die Anteile des Klägers am Stammkapital der GmbH 99,17 % und der Anteil des Vaters 0,83 %.

Der Kläger und sein Vater verkauften im November 2006 sämtliche Anteile an der GmbH für rund 3,2 Mio. € an eine KG. Im Rahmen einer Vereinbarung verzichtete der Vater des Klägers auf seine eingeräumten Nießbrauchrechte. Als Gegenleistung für den Verzicht vereinbarten die Vertragsparteien einen Ablösebetrag von rund 1,6 Mio. €.

Das Finanzamt erkannte den vom Kläger an den Vater gezahlten Ablösebetrag nicht als nachträgliche Anschaffungskosten an. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung sowie Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG war von einem unentgeltlichen Erwerb der Gesellschaftsanteile durch den Kläger im März 2004 gem. § 17 Abs. 2 S. 5 EStG ausgegangen, ohne zu prüfen, ob ihm die Gesellschaftsanteile nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen waren.

Ist der Gesellschaftsanteil - wie hier - im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen worden, fehlt es am Erwerb des Gesellschaftsanteils, wenn der übertragene Geschäftsanteil als wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO dem Vorbehaltsnießbraucher zuzurechnen ist. Bereits zivilrechtlich ist der Nießbraucher einem Gesellschafter mit der Folge einer Zurechnung nach § 39 Abs. 1 AO gleichzustellen, wenn der Nießbrauch die gesamte Beteiligung umfasst und ihm eine Position vermittelt, die ihm (z.B. durch ihm eingeräumte Stimmrechtsvollmachten) entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft. Erst recht ist dem Nießbraucher unter diesen Voraussetzungen der Gesellschaftsanteil steuerrechtlich nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen.

Der Nießbraucher bleibt wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er - wie hier - im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Nach diesen Maßstäben war das angefochtene Urteil aufzuheben, denn der Kläger hatte keinen kein wirtschaftliches Eigentum an dem Gesellschaftsanteil erlangt und ihn somit nicht erworben. Der Vater hatte die Anteile wirtschaftlich erst mit dem Verzicht auf den Nießbrauch im Jahr 2006 an den Kläger übertragen, und zwar entgeltlich gegen die Ablösezahlung als Gegenleistung.

Da der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen und nicht lediglich das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend ist, bedarf es grundsätzlich einer tatrichterlichen Würdigung, die der BFH als Revisionsinstanz nicht selbst durchführen kann. Dies galt im Streitfall umso mehr, als die Beteiligten zum Aspekt des Verbleibs des wirtschaftlichen Eigentums bisher nicht gehört worden waren.

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