03.04.2024

Vorliegen der Antragsvoraussetzungen bei der Option zum Teileinkünfteverfahren

Nach einer wirksamen erstmaligen Antragstellung ist das Vorliegen der materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b des Einkommensteuergesetzes in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen vom Finanzamt zu unterstellen. Diese müssen nur für das erste Antragsjahr vorliegen; ihr Wegfall in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen ist unerheblich.

Kurzbesprechung
BFH v. 12.12.2023 - VIII R 2/21

EStG § 3 Nr. 40 S 1 Buchst d, § 3c Abs 2 S 1, § 20 Abs 1 Nr. 1 S 1, § 32d Abs 2 Nr. 3 S 1 Buchst b, § 32d Abs 2 Nr. 3 S 4, § 32d Abs 2 Nr. 3 S 2

Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige als Gesellschafter der X-GmbH im Jahr 2013 aus der Ausschüttung Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezogen, für die ein Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG gestellt werden konnte. Diesen Antrag hatte er im Jahr 2013 wirksam gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG gestellt.

Im Jahr 2013 war für eine Antragstellung nach der im Streitfall allein in Betracht kommenden Alternative gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG erforderlich, dass der Steuerpflichtige Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erzielt, an der er im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt ist und dass er beruflich für diese tätig ist.

Der Steuerpflichtige hatte für den Veranlagungszeitraum 2013 das Wahlrecht gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 und Satz 4 Halbsatz 1 EStG wirksam ausgeübt. Aufgrund der wirksamen erstmaligen Antragstellung des Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum 2013 war gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 2 EStG das Vorliegen der Voraussetzungen für die Option zum Teileinkünfteverfahren in den Streitjahren zu unterstellen.

Die Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 2 EStG ist auslegungsbedürftig. Der Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG ist spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen und gilt, solange er nicht widerrufen wird, auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG).

Dem Gesetz kann im Hinblick auf die der erstmaligen Antragstellung folgenden vier Veranlagungszeiträume zweifelsfrei lediglich entnommen werden, dass der Antrag, das Teileinkünfteverfahren anzuwenden, vorbehaltlich eines Widerrufs auch für diese Veranlagungszeiträume gilt.

Der Gesetzeswortlaut lässt weitergehend einerseits den Schluss zu, dass die Antragsvoraussetzungen für den fortgeltenden Antrag in den Folgejahren vom Antragsteller zwar nicht erneut (aktiv) zu belegen sind, die Wahl des Teileinkünfteverfahrens aber nicht zulässig ist, wenn die Antragsvoraussetzungen nach dem Jahr der Antragstellung entfallen. Stünde fest, dass die Antragsvoraussetzungen entfallen sind, hätte das FA die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens für die Ausschüttung im Rahmen der Veranlagung zu versagen.

Andererseits lässt der Gesetzeswortlaut auch den Schluss zu, dass die wirksame Antragstellung des Erstjahres für die folgenden vier Veranlagungszeiträume in dem Sinne fort gilt, dass die materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen nur bei der erstmaligen Antragstellung vorhanden sein müssen und zu belegen sind, ihr Vorliegen in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen aber vom FA zu unterstellen ist.

Der BFH versteht die Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 2 EStG im letzteren Sinne. Nach einer wirksamen erstmaligen Antragstellung ist in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen das Vorliegen der materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b EStG vom FA zu unterstellen. Diese müssen nur für das erste Antragsjahr vorliegen; ihr Wegfall in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen ist unerheblich.

Beraterhinweis: Damit folgt der BFH nicht der Auslegung des BMF im Schreiben vom 19.05.2022, BStBl I 2022, 742, Tz. 139, wonach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 2 EStG nur eine Nachweiserleichterung für eine materiell-rechtlich erforderliche Prüfung der Antragsvoraussetzungen in jedem Veranlagungszeitraum der Folgejahre enthalten soll. Die vom BFH vertretene Rechtsauffassung wird auch im Schrifttum im Ergebnis weit überwiegend geteilt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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