Vorsteuerabzug auch bei sog. unregelmäßiger Einfuhrumsatzsteuer
FG Hamburg 19.12.2012, 5 K 302/09Die Klägerin betrieb in den Streitjahren u.a. ein Zolllager Typ C. Neben der Lagerung der Waren übernahm sie für ihren Hauptkunden auch die zollrechtliche Abwicklung. Auftraggeber des Hauptkunden waren überwiegend Unternehmen aus Osteuropa, die die Waren i.d.R. an Abnehmer aus osteuropäischen Staaten weiterverkauften. An das Zolllagerverfahren schloss sich jeweils ein Versandverfahren bzw. Verfahren Carnet TIR an. Die Zollanmeldungen erfolgten mittels eines Zolldeklaranten und nicht im Namen und für Rechnung der Klägerin. Eigentum an den von ihr eingelagerten Waren erlangte die Klägerin nicht.
Bei einer Prüfung stellte der Zoll Unregelmäßigkeiten fest. Wegen Entziehung von einfuhrabgabepflichtigen Waren aus der zollamtlichen Überwachung i.S.v. Art 203 Abs. 1 ZK und Verletzung von Pflichten aus der Inanspruchnahme des Zolllagerverfahrens i.S.v. Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK erließ das Hauptzollamt verschiedene Einfuhrabgabenbescheide, mit denen es u.a. Einfuhrumsatzsteuer festsetzte. Die Bescheide ergingen (ausschließlich) an die Klägerin als Schuldnerin der Einfuhrabgaben. Klagen gegen die Einfuhrabgabenbescheide sind z.T. noch anhängig. Einfuhrumsatzsteuer entrichtete die Klägerin bislang nur in rechtskräftig durch Urteile festgesetzter Höhe. Mit ihrer Umsatzsteuererklärung und ihrer Klage machte die Klägerin die festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend.
Das FG gab der Klage statt. Die Revision wird beim BFH unter dem Az. V R 8/13 geführt.
Die Gründe:
Die Versagung des Abzugs der gegen die Klägerin festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
Das Recht zum Vorsteuerabzug setzt entgegen dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG nicht voraus, dass die Einfuhrumsatzsteuer entrichtet ist; hinreichend ist, dass sie festgesetzt wurde. Offengelassen werden konnte insoweit, ob die Einfuhrumsatzsteuer tatsächlich entstanden ist. Soweit § 15 Abs. 1 NR. 2 UStG die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer voraussetzt, steht die Vorschrift nicht im Einklang mit Art. 168 Buchst. e und Art. 178 Buchst. e MwStSystRL und ist daher nicht anwendbar. In Abweichung von Abschn. 15.8 Abs. 4 UStAE und von der bisherigen, nach Ansicht des FG überholten Rechtsprechung kann bei richtlinienkonformer Anwendung und Auslegung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG auch ein Zolllagerinhaber zum Vorsteuerabzug von Einfuhrumsatzsteuer berechtigt sein.
Die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer wird - anders als für Umsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG - nicht durch eine Lieferung der Gegenstände, sondern durch deren Einfuhr ausgelöst, also durch die Verbringung eines Gegenstandes in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats der Union. Dieser Vorgang ist unabhängig von der eigentümerähnlichen Verfügungsmacht, wie eine Lieferung sie voraussetzt, und von einem entsprechenden Herrschaftswillen des Handelnden. Weil die Gegenstände, für deren Einfuhr die hier streitige Mehrwertsteuer geschuldet wird, für das Unternehmen bzw. für Zwecke der besteuerten Umsätze der Klägerin verwendet wurden - ohne die eingeführten Gegenstände hätte sie keine Lagerleistungen erbringen können -, gebietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer auch bei ihr die Abzugsfähigkeit.
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