Vorsteuerabzug und Margenbesteuerung bei Kaffeefahrten
BFH v. 13.12.2018 - V R 52/17Die Klägerin hatte in den Streitjahren 1997 bis 1999 Busfahrten mit dem Ziel des Warenabsatzes ("Kaffeefahrten") veranstaltet. Bei einer der dabei angebotenen Waren handelte es sich um eine als Kurpaket bezeichnete Warenzusammenstellung bestehend aus sog. Q-Ampullen und L-Ölkapseln, die die Klägerin mit dem ermäßigten Steuersatz versteuerte.
Nach Außenprüfung stellte das Finanzamt in Bezug auf die Busfahrten fest, dass es sich um Reiseleistungen nach § 25 UStG gehandelt habe, die Klägerin dabei aber "zur Ermittlung der Marge den vereinnahmten Fahrtgeldern die (nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden) Reisevorleistungen (Buskosten) und die Kosten der Zugaben gegenübergestellt" habe. In Bezug auf das Kurpaket verwies die Behörde auf unverbindliche Zolltarifauskünfte der Oberfinanzdirektion (OFD) Hamburg vom 13.6.2003 und der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) Berlin (OFD Cottbus) vom 7.7.2003, nach denen dieses dem Regelsteuersatz unterläge.
Die Klägerin verwies auf eine unverbindliche Zolltarifauskunft der ZPLA München vom 6.6.2008, nach der der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei. Letztere erkannte das Finanzamt allerdings nicht an, da sich diese Auskunft auf ein Produkt mit 8 % Zitronensäure beziehe, was im Widerspruch zur unverbindlichen Zolltarifauskunft der ZPLA Berlin vom 7.7.2003 stehe. Gegen die Steueränderungsbescheide der Streitjahre legte die Klägerin Einspruch ein, der nur insoweit Erfolg hatte, als das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung von einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die L-Ölkapseln ausging.
Das FG wie die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache an das FG zurück.
Gründe:
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass unentgeltlich erbrachte Reiseleistungen nach § 25 Abs. 4 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Das FG hat ebenso unzutreffend den Vorsteuerabzug aus Geschenken verneint, wenn einkommensteuerrechtliche Aufzeichnungspflichten nicht beachtet werden. Schließlich hat das FG zu Unrecht die Steuersatzermäßigung für die Q-Ampullen versagt. Im zweiten Rechtsgang sind Feststellungen zur Frage zu treffen, ob und ggf. inwieweit die Klägerin unentgeltliche Reiseleistungen erbracht hatte. Weiter ist die Zusammensetzung der Q-Ampullen aufzuklären.
§ 25 Abs. 4 Satz 1 UStG steht dem Vorsteuerabzug bei einer unentgeltlich erbrachten Reiseleistung nicht entgegen. Bei § 25 UStG handelt es sich um eine der "Sonderregelungen", wie sich aus der Überschrift zum Sechsten Abschnitt des UStG ergibt. Diese Sonderregelungen ersetzen nicht die Voraussetzungen der §§ 1 ff. UStG, aus denen sich entsprechend der Überschrift zum Ersten Abschnitt des UStG der Steuergegenstand und der Geltungsbereich des Gesetzes ergeben, sondern setzen eine nach den § 1 ff. UStG im Inland steuerbare Leistung voraus. Gleiches gilt für die Systematik nach der Richtlinie 77/388/EWG. Daher ist § 25 UStG nur auf "gegen Entgelt" i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbrachte Reiseleistungen anzuwenden. Die Sonderregelung ist somit nur auf danach steuerbare Reiseleistungen anzuwenden. Bestätigt wird dies durch die Bemessung der Reiseleistung, die sich gem. § 25 Abs. 3 Satz 1 UStG unter Berücksichtigung der Aufwendungen des Leistungsemfängers der Reiseleistung bestimmt.
Aus dem Einleitungssatz von § 25a Abs. 1 UStG, wonach die Differenzbesteuerung für "die Lieferungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 von beweglichen körperlichen Gegenständen gilt", kann auch nicht geschlossen werden, dass es für die anderen Vorschriften der §§ 23 ff. UStG nicht auf die Grundregelung zur Steuerbarkeit ankommt. Außerdem geht auch die Finanzverwaltung davon aus, dass Reisen, die nicht gegen Entgelt und auch nicht als unentgeltliche Wertabgabe an Betriebsangehörige weitergegeben werden, sondern z.B. als Kundengeschenk im Unternehmen verwendet werden, keine Reiseleistungen nach § 25 UStG sind (Abschn. 25.3 Abs. 5 Nr. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses).
Im vorliegenden Fall war zudem die Versagung des Vorsteuerabzugs aufgrund der Verletzung der einkommensteuerrechtlichen Aufzeichnungspflichten bei Geschenken rechtsfehlerhaft. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG in seiner bis zum 31.3. 1999 geltenden Fassung lag sog. Eigenverbrauch vor, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens Aufwendungen tätigte, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 oder Abs. 7 oder § 12 Nr. 1 EStG fallen. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG in seiner bis zum 31.3. 1999 geltenden Fassung i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 EStG wirkte wie eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs und ist als Einschränkung des Vorsteuerabzugs wegen nicht eingehaltener Formvorschriften für den Nachweis für Betriebsausgaben im Ertragsteuerrecht bereits nach der bisher ergangenen BFH-Rechtsprechung unionsrechtswidrig. Entsprechendes gilt für § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 EStG. Es bestehen keine Sachgründe, die diese Regelung in unionsrechtlicher Hinsicht im Gegensatz zur früheren Rechtslage legitimieren könnten.
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