Wahl der Lohnsteuerklassen für eingetragene Lebenspartner vorläufig zulässig
FG Münster 16.1.2012, 6 V 4218/11 EDie Antragsteller, Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, beantragten beim Finanzamt einen Wechsel von ihrer bisherigen Lohnsteuerklasse I in die für sie günstigere Steuerklassenkombination III und V. Das Finanzamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Kombination der Steuerklassen III und V gem. § 38b EStG verheirateten unbeschränkt steuerpflichtigen Personen vorbehalten sei. Dabei könne eine Ehe nur zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts eingegangen werden. Lebenspartnern i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes stehe ein Wechsel in die Steuerklassen III und V nicht offen.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Ablehnungsbescheid beantragten die Antragsteller - vergeblich - die Aussetzung der Vollziehung bei Gericht und machten die Verfassungswidrigkeit der vom Finanzamt angeführten Norm geltend. § 38b EStG sei im Hinblick auf den Familienstand der Lebenspartnerschaft lückenhaft, weil dort der Familienstand "verpartnert" nicht geregelt sei. Die vorhandene Lücke müsse verfassungskonform dahingehend geschlossen werden, dass die für verheiratete geltenden Regelungen Anwendung fänden, weil die Lebenspartnerschaft in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht einer Ehe entspreche.
Das FG gab dem Antrag statt. Die Beschwerde zum BFH wurde zugelassen.
Die Gründe:
Nach der gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Änderung der Steuerklassen.
Offen bleiben kann, ob § 38b EStG in Bezug auf verpartnerte Steuerpflichtige planwidrig lückenhaft ist; auch wenn einiges dafür spricht, dass keine planwidrige Lücke besteht, sondern der Gesetzgeber diese Lücke bewusst in Kauf genommen hat. Denn es besteht zumindest die Möglichkeit, dass § 38b EStG wegen der Ungleichbehandlung von verheirateten und verpartnerten Steuerpflichtigen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
Nach der zum ErbStG ergangenen Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07) ist bei einer mit der sexuellen Orientierung zusammenhängenden Differenzierung eine strenge Gleichheitsprüfung vorzunehmen. Auch der besondere Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) rechtfertigt eine Differenzierung zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Hinblick auf steuerrechtliche Vorschriften nicht. Der Versorgungscharakter beider Lebensformen erfordert vielmehr eine Gleichbehandlung.
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