Wahrung der Klagefrist: Eingangsstempel des Gerichts erbringt vollen Beweis für Zeit und Ort des Eingangs des Schriftstücks
FG Hamburg 8.12.2010, 2 K 194/10Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klagefrist eingehalten worden ist. Durch Einspruchsentscheidung vom 3.9.2010 wurde auf Grund des Einspruchs der Klägerin vom 29.9.2008 der Haftungsbescheid vom 29.8.2008 teilweise zurückgenommen. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung wurde ausweislich des Verfügungsteils auf der in der Rechtsbehelfsakte befindlichen Einspruchsentscheidung am 3.9.2010 zur Post gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Auf der Klageschrift befindet sich ein Eingangstempel mit folgendem Inhalt: "Entnommen aus dem Gerichtsbriefkasten am 7.10.2010 bei Dienstbeginn (in den Kasten gelangt nach 24 Uhr des vorhergegangenen Werktags)". Die Klägerin trägt vor, dass die Klage bereits am 6.12.2010 gegen 22 Uhr in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden sei.
Als Beweis hierfür beruft sich die Klägerin auf die Zeugenaussage ihres Steuerberaters, der Lebensgefährtin des Steuerberaters und der Fahrtaufzeichnungen des Steuerberaters. Der für die Ausleerung des Briefkastens zuständige Justizbeamte sagte aus, dass es bei der Leerung des Briefkastens am Morgen des 7.12.2010 zu keinen Besonderheiten gekommen ist. Der Nachtbriefkasten habe ordnungsgemäß funktioniert. Dies wurde auch durch den zuständigen Direktor des Amtsgerichts bestätigt.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab.
Die Gründe:
Die Klagefrist wurde nicht eingehalten.
Gem. § 47 FGO beträgt die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage einen Monat. Die Einspruchsentscheidung wurde am 3.9.2010 zur Post aufgegeben, so dass sie gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am 6.9.2010 als bekanntgegeben gilt. Die Klagefrist lief daher am 6.10.2010 um 24 Uhr ab. Die Klageschrift ist erst am 7.10.2010 und damit verspätet beim Gericht eingegangen. Dies ergibt sich aus dem auf der Klageschrift befindlichem Eingangsstempel.
Der Eingangsstempel eines Gerichts stellt eine öffentliche Urkunde dar. Ein formell ordnungsgemäßer Eingangsstempel einer Behörde erbringt deshalb grundsätzlich den vollen Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schriftstückes. Der nach § 418 Abs. 2 ZPO mögliche Gegenbeweis der Unrichtigkeit einer öffentlichen Urkunde erfordert den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen genügen nicht, vielmehr muss zur Überzeugung des Gerichts jegliche Möglichkeit ihrer Richtigkeit ausgeschlossen sein.
Das Gericht muss mithin davon überzeugt sein, dass das vom Eingangsstempel bewiesene Eingangsdatum falsch und das Schreiben fristgerecht eingegangen ist. Bleibt die Sache insoweit unklar bzw. ist eine weitere Sachaufklärung nicht möglich, trifft nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) das Risiko der fehlenden Aufklärbarkeit die Klägerin. Letzteres nahm das FG im Streitfall zu Lasten der Klägerin an. Es war nach den Zeugenaussagen weder davon überzeugt, dass der Eingangsstempel falsch ist, noch ging es davon aus, dass der Eingangsstempel wahrscheinlich falsch ist.
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