Wann kann die Eintragung von Beiträgen zu einem berufsständischen Versorgungswerk in einer falschen Kennziffer als offenbare Unrichtigkeit gewertet werden?
FG Düsseldorf 17.10.2017, 13 K 3544/15 EDer Kläger war in den Streitjahren 2010 bis 2012 als Notar tätig und als solcher Mitglied im Notarversorgungswerk. In dieser Zeit leistete er Beiträge i.H.v. 10.264 € (2010), 10.264 € (2011) und 10.470 € (2012). Entsprechende Bescheinigungen des Versorgungswerks fügte er seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2010 und 2012, nicht aber für 2011 bei. In den betreffenden Erklärungen trug er die Beiträge auf der Anlage Vorsorgeaufwand in der Kennziffer 504 ein. Das Finanzamt übernahm die Eintragungen. Dies hatte zur Folge, dass sich die Beiträge in den Einkommensteuerbescheiden für 2010 und für 2012 nicht und im Einkommensteuerbescheid für 2011 nur im Rahmen der Höchstbetragsberechnung nach der Rechtslage 2004 auswirkten.
Daraufhin beantragte der Kläger sowohl in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid für 2013 als auch in Bezug auf die Einkommensteuerbescheide für 2006 bis 2012 eine Änderung oder Berichtigung in diesem Punkt. Zur Begründung führte er aus, dass ihm bei der Durchsicht der Steuererklärung aufgefallen sei, dass er die geleisteten Beiträge zum Versorgungswerk versehentlich in Zeile 52 Kennziffer 504 statt in Zeile 5 Kennziffer 301 eingetragen habe. Gleiches gelte auch für die vorangegangenen Jahre. In diesem Zusammenhang überreichte der Kläger berichtigte Anlagen Versorgungsaufwand und Kopien der Beitragsbescheinigungen.
Das Finanzamt lehnte die Anträge für die Jahre 2006 bis 2012 ab. Zur Begründung führte es aus, dass für 2006 bis 2009 eine Änderung oder Berichtigung schon deshalb ausscheide, weil die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Für die Streitjahre 2010 bis 2012 komme eine Änderung nicht in Betracht, da der Bescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehe und § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO wegen Ablaufs der Einspruchsfrist nicht in Betracht komme. Die Korrekturvorschrift des § 129 AO finde ebenfalls keine Anwendung, da keine offenbare Unrichtigkeit beim Erlass des Verwaltungsakts unterlaufen sei. Im Fall des Klägers handele es sich vielmehr um einen Rechtsanwendungsfehler, da die Aufwendungen - trotz vorliegender Belege - nicht als Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen angesetzt worden seien.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch auf den Erlass von nach § 129 AO berichtigten Einkommensteuerbescheiden für 2010 bis 2012. Denn indem der Kläger die Beiträge zum Versorgungswerk auf der Anlage Vorsorgeaufwand in die Kennziffer 52.504 eingetragen hatte, war ihm eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, die sich das Finanzamt zu Eigen gemacht hat.
Zu der im Streitfall gegebenen Problematik, dass ein Steuerpflichtiger seine Vorsorgeaufwendungen in eine falsche Kennziffer eingetragen hat, hat der BFH mit Urteil vom 26.10.2016 (Az.: X R 1/14) in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt entschieden, dass keine Änderung nach § 129 AO in Betracht komme. Um eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO bejahen zu können, hätte einem objektiven Dritten die richtige Qualifizierung der Beiträge an das Versorgungswerk als Altersvorsorgeaufwendungen der Basisversorgung offensichtlich bekannt sein müssen.
Der Senat hält diese, zu den Veranlagungszeiträumen 2006 bis 2008 ergangene Entscheidung nicht für auf den Streitfall übertragbar. Demnach war die mit der fehlerhaften Eintragung der Beiträge an das Notarversorgungswerk verbundene Unrichtigkeit für das Finanzamt ohne weiteres erkennbar. Einem unvoreingenommenen Dritten war vorliegend aufgrund der für 2010 und 2012 (sowie auch für die Vorjahre 2007 und 2008) vorgelegten Bescheinigungen des Notarversorgungswerks bekannt, dass es sich bei den in die Kennziffer 52.504 eingetragenen Beträgen um Beiträge an dieses Versorgungswerk handelte. Dem unvoreingenommenen Dritten war außerdem bekannt, dass es sich bei dem Kläger zwar um eine rechtlich vorgebildete Person handelt, sich dessen Rechtskenntnisse aber nicht ohne weiteres auf das gesamte Gebiet des Steuerrechts erstrecken. Infolgedessen musste ein objektiver Dritter angesichts der vorgelegten Bescheinigungen des Versorgungswerks davon ausgehen, dass dem Kläger bei der Eintragung auf der Anlage Vorsorgeaufwand ein Fehler unterlaufen war. Dies gilt auch in Bezug auf das Streitjahr 2011, in dem zwar die Bescheinigung vom Kläger nicht mit eingereicht worden war, sich der zugrunde liegende Sachverhalt aber aus den Vorjahren ergab.
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes vermag der Senat auch keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der Kläger bei seiner Eintragung einem Rechtirrtum unterlegen sein könnte. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger rechtliche Überlegungen dahingehend angestellt haben könnte, dass die Beiträge zum Versorgungswerk nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG, sondern als solche nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG zu qualifizieren seien. Vielmehr beruhte die unzutreffende Eintragung in die Kennziffer 504 nach der Überzeugung des Senats darauf, dass die Finanzverwaltung in der Erläuterung der zutreffenden Kennziffer 301 (allerdings in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelungssystematik) zunächst die "landwirtschaftlichen Alterskassen" aufführt.
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