Wärmeenergie als Wirtschaftsgut - Sachentnahme durch Beheizen des Wohnhauses mit selbst erzeugter Wärmeenergie - Teilwert bei sog. Kuppelerzeugnissen
Kurzbesprechung
BFH v. 12.3.2020 - IV R 9/17
EStG § 4 Abs. 1 S. 2, § 4 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1, § 6 Abs. 7 Nr. 2, GewStG § 10a,
AO § 162
FGO § 40 Abs. 2, § 135 Abs. 1, § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1, § 143
Die Steuerpflichtige ist eine GbR, welche seit 2012 ein Blockheizkraftwerk mit Biogasanlage (BHKW) betreibt. Die beiden Gesellschafter der Steuerpflichtigen sind Ehegatten. Mit dem BHKW wird überwiegend die im landwirtschaftlichen Betrieb des Ehemanns anfallende Gülle zu Strom verwertet, der seit Dezember 2012 vollständig gegen Entgelt in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Die beim Betrieb des BHKW anfallende Abwärme wurde in den Streitjahren u.a. zum Beheizen des Wohnhauses der Gesellschafter der Steuerpflichtigen genutzt. Im Jahr 2013 wurden hierbei 28433kWh, im Jahr 2014 36755 kWh verbraucht. Daneben lieferte die Steuerpflichtige Wärme an das in der Nähe gelegene Wohnhaus des Cousins des Ehemanns. Für diese Lieferung berechnete sie 3 Cent/kWh (brutto), was einem Nettoentgelt in Höhe von 2,521 Cent je kWh entsprach.
Der BFH entschied, dass als Bewertungsmaßstab für die Entnahme nach § 6 Abs. 7 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG der Teilwert zugrunde zu legen ist. Denn die in den Verkehr gebrachte Wärmeenergie stellt ein (bilanzierungsfähiges) Wirtschaftsgut dar. Der private Verbrauch der Wärmeenergie ist daher keine mit den tatsächlichen Selbstkosten anzusetzende Nutzungsentnahme.
Die Bewertung der Sachentnahme (Entnahme eines Wirtschaftsguts) i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG richtet sich gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG nach dem Teilwert des entnommenen Wirtschaftsguts. Hiermit wird bezweckt, die nicht betrieblich veranlasste Minderung des Betriebsvermögens durch die Hinzurechnung des Entnahmewerts rückgängig zu machen. Ausnahmsweise ist bei einer Sachentnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (Entstrickung) der gemeine Wert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG); eine solche Entnahme schied jedoch im Streitfall von vornherein aus.
Für die Bewertung von Nutzungs-/Leistungsentnahmen trifft § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG hingegen keine Aussage. Solche Entnahmen sind grundsätzlich mit dem durch die Nutzung/Leistung verursachten Aufwand, d.h. mit den tatsächlichen Selbstkosten zu bewerten. Hiermit wird der für das Wirtschaftsgut entstandene Aufwand, der grundsätzlich in vollem Umfang als Betriebsausgabe den Gewinn mindert, neutralisiert, soweit er die außerbetriebliche Nutzung/Leistung betrifft.
Gemessen an diesen Grundsätzen wird die Wärme mit ihrem Inverkehrbringen als Wärmeenergie zu einem (bilanzierungsfähigen) selbständigen Wirtschaftsgut. Wärmeenergie wird physikalisch als kinetische Energie von Atomen oder Molekülen oder anderen Teilchen eines Stoffes definiert. Sie ist daher im Ausgangspunkt steuerrechtlich nur eine Eigenschaft des jeweiligen Stoffes (Energieträgers wie Wasser, Gas, Kohle) und damit ein unselbständiger wertbildender Faktor des jeweiligen Wirtschaftsguts. Die Wärmeenergie wird aber zu einem eigenen Wirtschaftsgut verselbständigt, wenn sie als solche in den Verkehr gebracht wird. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Wärmeenergie über Wärmemengenzähler bestimmungsgemäß an einen Abnehmer geliefert oder für private Zwecke verbraucht wird. Denn damit wird die Wärmeenergie vom Wärmeträger (z.B. Wasser) abgespalten und zu einem verkehrsfähigen Gut; sie wird greifbar und selbständig bewertbar.
Im Streitfall hatte das FG für die Wärmeenergie als Teilwert i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG zutreffend einen Betrag von 2,521 Cent/kWh angesetzt. Mangels einer eigenen Begriffsbeschreibung ist der Teilwert i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG mit dem in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG definierten Teilwertbegriff identisch. Dass § 6 Abs. 7 Nr. 2 EStG insoweit nicht auch auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG verweist, ist unerheblich. Danach ist Teilwert der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Maßgebender Zeitpunkt für die Bewertung des Wirtschaftsguts ist der Zeitpunkt der Entnahme aus dem Betriebsvermögen.
Im Streitfall war der vom FG ermittelte Teilwert in Höhe von 2,521 Cent/kWh jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dabei konnte dahinstehen, ob im Streitfall die Herstellungs-(Reproduktions-)kosten der Wärmeenergie höher als 2,521 Cent/kWh waren oder nicht.
Waren die Herstellungs-(Reproduktions-)kosten der Wärmeenergie höher als 2,521 Cent/kWh, gilt Folgendes:
Im Streitfall bilden die Herstellungs-(Reproduktions-)kosten den Ausgangspunkt für die Ermittlung des Teilwerts. Dies gilt umso mehr, als die Herstellung und Abgabe der Wärmeenergie im Wesentlichen zeitgleich erfolgen. Dabei scheidet der Ansatz der Herstellungs-(Reproduktions-)kosten nicht mit der Begründung aus, dass die entstehende Abwärme ein ggf. ungewolltes und ohne Weiterverwendung als Wärmeenergie ungenutzt ins Freie abgeleitetes Nebenprodukt sei. Im Streitfall sind der erzeugte Strom und die entstehende Wärmeenergie das Ergebnis eines Produktionsgangs (sog. Kuppelproduktion). Sie stellen sog. Kuppelerzeugnisse dar. Kuppelerzeugnisse sind für steuerliche Zwecke einzeln mit ihren Herstellungskosten zu bewerten. Lassen sich diese nicht für die einzelnen Erzeugnisse ermitteln, dann sind die gesamten Herstellungskosten durch Schätzung auf die einzelnen Erzeugnisse (Wirtschaftsgüter) aufzuteilen. Demnach sind auch bei Kuppelerzeugnissen die (Wieder-)Herstellungskosten ein tauglicher Maßstab für die Bestimmung des Teilwerts.
Im Streitfall war das FG zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der mit dem Cousin des Gesellschafters für die Lieferung der Wärmeenergie vereinbarte Veräußerungspreis von 2,521 Cent/kWh marktgerecht war. Dieser Preis entsprach dem regional üblichen, der für die Lieferung von Abwärme aus BHKW erzielbar gewesen war.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 4 Abs. 1 S. 2, § 4 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1, § 6 Abs. 7 Nr. 2, GewStG § 10a,
AO § 162
FGO § 40 Abs. 2, § 135 Abs. 1, § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1, § 143
Die Steuerpflichtige ist eine GbR, welche seit 2012 ein Blockheizkraftwerk mit Biogasanlage (BHKW) betreibt. Die beiden Gesellschafter der Steuerpflichtigen sind Ehegatten. Mit dem BHKW wird überwiegend die im landwirtschaftlichen Betrieb des Ehemanns anfallende Gülle zu Strom verwertet, der seit Dezember 2012 vollständig gegen Entgelt in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Die beim Betrieb des BHKW anfallende Abwärme wurde in den Streitjahren u.a. zum Beheizen des Wohnhauses der Gesellschafter der Steuerpflichtigen genutzt. Im Jahr 2013 wurden hierbei 28433kWh, im Jahr 2014 36755 kWh verbraucht. Daneben lieferte die Steuerpflichtige Wärme an das in der Nähe gelegene Wohnhaus des Cousins des Ehemanns. Für diese Lieferung berechnete sie 3 Cent/kWh (brutto), was einem Nettoentgelt in Höhe von 2,521 Cent je kWh entsprach.
Der BFH entschied, dass als Bewertungsmaßstab für die Entnahme nach § 6 Abs. 7 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG der Teilwert zugrunde zu legen ist. Denn die in den Verkehr gebrachte Wärmeenergie stellt ein (bilanzierungsfähiges) Wirtschaftsgut dar. Der private Verbrauch der Wärmeenergie ist daher keine mit den tatsächlichen Selbstkosten anzusetzende Nutzungsentnahme.
Die Bewertung der Sachentnahme (Entnahme eines Wirtschaftsguts) i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG richtet sich gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG nach dem Teilwert des entnommenen Wirtschaftsguts. Hiermit wird bezweckt, die nicht betrieblich veranlasste Minderung des Betriebsvermögens durch die Hinzurechnung des Entnahmewerts rückgängig zu machen. Ausnahmsweise ist bei einer Sachentnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (Entstrickung) der gemeine Wert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG); eine solche Entnahme schied jedoch im Streitfall von vornherein aus.
Für die Bewertung von Nutzungs-/Leistungsentnahmen trifft § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG hingegen keine Aussage. Solche Entnahmen sind grundsätzlich mit dem durch die Nutzung/Leistung verursachten Aufwand, d.h. mit den tatsächlichen Selbstkosten zu bewerten. Hiermit wird der für das Wirtschaftsgut entstandene Aufwand, der grundsätzlich in vollem Umfang als Betriebsausgabe den Gewinn mindert, neutralisiert, soweit er die außerbetriebliche Nutzung/Leistung betrifft.
Gemessen an diesen Grundsätzen wird die Wärme mit ihrem Inverkehrbringen als Wärmeenergie zu einem (bilanzierungsfähigen) selbständigen Wirtschaftsgut. Wärmeenergie wird physikalisch als kinetische Energie von Atomen oder Molekülen oder anderen Teilchen eines Stoffes definiert. Sie ist daher im Ausgangspunkt steuerrechtlich nur eine Eigenschaft des jeweiligen Stoffes (Energieträgers wie Wasser, Gas, Kohle) und damit ein unselbständiger wertbildender Faktor des jeweiligen Wirtschaftsguts. Die Wärmeenergie wird aber zu einem eigenen Wirtschaftsgut verselbständigt, wenn sie als solche in den Verkehr gebracht wird. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Wärmeenergie über Wärmemengenzähler bestimmungsgemäß an einen Abnehmer geliefert oder für private Zwecke verbraucht wird. Denn damit wird die Wärmeenergie vom Wärmeträger (z.B. Wasser) abgespalten und zu einem verkehrsfähigen Gut; sie wird greifbar und selbständig bewertbar.
Im Streitfall hatte das FG für die Wärmeenergie als Teilwert i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG zutreffend einen Betrag von 2,521 Cent/kWh angesetzt. Mangels einer eigenen Begriffsbeschreibung ist der Teilwert i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG mit dem in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG definierten Teilwertbegriff identisch. Dass § 6 Abs. 7 Nr. 2 EStG insoweit nicht auch auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG verweist, ist unerheblich. Danach ist Teilwert der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Maßgebender Zeitpunkt für die Bewertung des Wirtschaftsguts ist der Zeitpunkt der Entnahme aus dem Betriebsvermögen.
Im Streitfall war der vom FG ermittelte Teilwert in Höhe von 2,521 Cent/kWh jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dabei konnte dahinstehen, ob im Streitfall die Herstellungs-(Reproduktions-)kosten der Wärmeenergie höher als 2,521 Cent/kWh waren oder nicht.
Waren die Herstellungs-(Reproduktions-)kosten der Wärmeenergie höher als 2,521 Cent/kWh, gilt Folgendes:
Im Streitfall bilden die Herstellungs-(Reproduktions-)kosten den Ausgangspunkt für die Ermittlung des Teilwerts. Dies gilt umso mehr, als die Herstellung und Abgabe der Wärmeenergie im Wesentlichen zeitgleich erfolgen. Dabei scheidet der Ansatz der Herstellungs-(Reproduktions-)kosten nicht mit der Begründung aus, dass die entstehende Abwärme ein ggf. ungewolltes und ohne Weiterverwendung als Wärmeenergie ungenutzt ins Freie abgeleitetes Nebenprodukt sei. Im Streitfall sind der erzeugte Strom und die entstehende Wärmeenergie das Ergebnis eines Produktionsgangs (sog. Kuppelproduktion). Sie stellen sog. Kuppelerzeugnisse dar. Kuppelerzeugnisse sind für steuerliche Zwecke einzeln mit ihren Herstellungskosten zu bewerten. Lassen sich diese nicht für die einzelnen Erzeugnisse ermitteln, dann sind die gesamten Herstellungskosten durch Schätzung auf die einzelnen Erzeugnisse (Wirtschaftsgüter) aufzuteilen. Demnach sind auch bei Kuppelerzeugnissen die (Wieder-)Herstellungskosten ein tauglicher Maßstab für die Bestimmung des Teilwerts.
Im Streitfall war das FG zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der mit dem Cousin des Gesellschafters für die Lieferung der Wärmeenergie vereinbarte Veräußerungspreis von 2,521 Cent/kWh marktgerecht war. Dieser Preis entsprach dem regional üblichen, der für die Lieferung von Abwärme aus BHKW erzielbar gewesen war.