Welches Besteuerungsrecht gilt für die Pension eines in Ungarn ansässigen Beamten mit deutscher Staatsangehörigkeit?
BFH 24.1.2018, I R 49/16Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und bezieht als ehemaliger Bundebeamter ein Ruhegehalt, das von der Bundesfinanzdirektion ausgezahlt wird. Er wohnt seit dem 1.5.2004 ausschließlich in Ungarn. Das Finanzamt erteilte der Bundesfinanzdirektion - gestützt auf § 39d Abs. 3 S. 4 i.V.m. § 39b Abs. 6 EStG - für den Zeitraum von Anfang 2011 bis Ende 2013 eine Bescheinigung, dass der Arbeitslohn des Klägers nicht dem Steuerabzug unterliegt.
Nach Inkrafttreten des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Ungarn vom 28.2.2011 (DBA-Ungarn 2011) ging das Finanzamt davon aus, dass nach dessen Art. 18 Abs. 2 Buchst. b dem Wohnsitzstaat für Ruhegehaltszahlungen aus öffentlichen Kassen nur dann das Besteuerungsrecht zustehe, wenn die natürliche Person dort ansässig und - anders als der Kläger - ein Staatsangehöriger dieses Staates sei. Das Finanzamt widerrief daher die Freistellung mit Wirkung ab dem 1.10.2012. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage.
Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass der Widerruf der Freistellungsbescheinigung durch das Finanzamt rechtswidrig war.
Art. 17 Abs. 1 DBA-Ungarn 2011 bestimmt, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus dem anderen Vertragsstaat erhält, grundsätzlich nur im erstgenannten Staat besteuert werden können. Dies steht jedoch unter dem Vorbehalt des Art. 18 Abs. 2 DBA-Ungarn 2011, nach dessen Buchst. a Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates oder aus von diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts errichtetem Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts geleisteten Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden können (sog. Kassenstaatsprinzip). Allerdings können diese Ruhegehälter nur im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn die natürliche Person in diesem Staat ansässig und Staatsangehöriger dieses Staates ist.
Die Regelung des Art. 18 Abs. 2 DBA-Ungarn 2011 gilt wiederum vorbehaltlich des Art. 17 Abs. 2 DBA-Ungarn 2011, nach dem Renten und andere Vergütungen, die aufgrund des Gesetzes eines Vertragsstaates über die gesetzliche Sozialversicherung bezogen werden, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, der Empfänger war an oder vor dem Tag des Austausches der Ratifikationsurkunden dieses Abkommens im anderen Vertragsstaat ansässig. Vor diesem Hintergrund steht das Besteuerungsrecht für das Ruhegehalt des Klägers nach Art. 17 Abs. 1 DBA-Ungarn 2011, auf den sich der in Ungarn wohnende und dort mit seinem Welteinkommen Kläger als i.S.d. Art. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 DBA-Ungarn 2011 ansässige Person berufen kann, nicht Deutschland, sondern ausschließlich Ungarn zu. Nicht notwendig ist dabei, dass das Ruhegehalt - wie es Art. 17 Abs. 2 Halbs. 1 DBA-Ungarn 2011 erfordert - aufgrund der Regelungen über die gesetzliche Sozialversicherung bezogen wird. Denn insbesondere die an ehemals im öffentlichen Dienst beschäftigten Beamten gezahlten Ruhegehälter beruhen - jedenfalls soweit Deutschland betroffen ist - gerade nicht auf Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherungsträger.
Aus dem Umstand, dass Art. 18 Abs. 2 Buchst. b DBA-Ungarn 2011 nunmehr neben der Ansässigkeit auch die Staatsangehörigkeit des Ansässigkeitsstaates erfordert, während Art. 17 Abs. 2 Halbs. 2 DBA-Ungarn 2011 - insoweit übereinstimmend mit Art. 18 Abs. 1 S. 2 DBA-Ungarn 1977 - lediglich auf die Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat, d.h. nicht in dem Kassenstaat, abstellt, folgt, dass letztere Regelung auch für die von Art. 18 Abs. 1 S. 2 DBA-Ungarn 1977 erfassten Fälle die Fortgeltung der bisherigen Rechtslage bezweckt. Dem widerspräche es, die Regelung des Art. 17 Abs. 2 DBA-Ungarn 2011 auch im Rahmen des durch Art. 18 Abs. 2 DBA-Ungarn 2011 vermittelten Anwendungsbereichs auf Zahlungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung zu begrenzen und damit dem Kassenstaat das Besteuerungsrecht trotz einer zum Zeitpunkt des Austausches der Ratifikationsurkunden bestehenden Ansässigkeit des Zahlungsempfängers im anderen Vertragsstaat zuzuweisen.
Unerheblich ist, ob der Kläger vor der Begründung der Ansässigkeit in Ungarn aufgrund eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig und nach Art. 4 DBA-Ungarn 2011 für Zwecke der Abkommensanwendung als im Inland ansässig anzusehen war. Da Art. 17 Abs. 2 Halbs. 2 DBA-Ungarn 2011 an die Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat keine eigenständige Rechtsfolge - insbesondere kein neben das des Quellenstaates tretendes Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates - knüpft, sondern lediglich die Anwendung des Art. 17 Abs. 2 Halbs. 1 DBA-Ungarn 2011 ausgeschlossen wird ("es sei denn"), kommt in diesem Fall wieder die Grundregel des Art. 17 Abs. 1 DBA-Ungarn 2011 zur Anwendung.
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