Wesentliche Beteiligung: Maßgeblichkeit des Gesamtvertragskonzepts statt des bloßen technischen Durchgangserwerbs
BFH 5.10.2011, IX R 57/10Im Rahmen eines Notartermins waren mehrere Anteilsübertragungen an zwei GmbHs sowie eine Kapitalerhöhung vereinbart worden, die im Ergebnis zu einer Beteiligung der Klägerin von genau 25 % führen sollten und auch führten. Lediglich aus technischen Gründen hatte die Klägerin vor der abschließenden Kapitalerhöhung vorübergehend die maßgebliche Beteiligungsschwelle überschritten. Mit dieser Beteiligung war jedoch nach dem Willen aller Vertragsbeteiligten keinerlei wirtschaftliche Verfügungsbefugnis verbunden.
In der Folgezeit stritt die Klägerin mit dem Finanzamt darüber, ob die Veräußerung der Anteile an den GmbHs seitens der Klägerin gem. § 17 EStG steuerbar war und ggf. in welcher Höhe ein Veräußerungsgewinn entstanden war. Das Finanzamt setzte bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2007 für die Klägerin einen Veräußerungsgewinn an, weil sie innerhalb der letzten fünf Jahre mit mehr als 25 % an beiden Gesellschaften beteiligt gewesen sei. Ihre Beteiligungsquote sei schließlich erst infolge der Kapitalerhöhung wieder auf 25 % gesunken.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Das FG war zu Unrecht von einer wesentlichen Beteiligung der Klägerin i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG an den beiden GmbHs ausgegangen.
Bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend. Infolgedessen ist eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG (a.F.) nicht anzunehmen, wenn im Zuge mehraktiger Anteilsübertragungen zwar vorübergehend in der Person eines Gesellschafters die Beteiligungsgrenze von 25% (nach altem Recht) überschritten wird, dieser Gesellschafter nach dem Gesamtvertragskonzepts aber endgültig nur mit 25% beteiligt werden soll und auch wird.
Diesen Grundsätzen entsprach die Vorentscheidung nicht. Die Klägerin hat vor den Kapitalerhöhungen der streitbefangenen Gesellschaften keine tatsächliche Verfügungsbefugnis über eine Beteiligung von über 25 % erworben. Für die tatsächliche Wahrnehmung von vermögensrechtlichen Ansprüchen aus einer Beteiligung von über 25 % ließ die konkrete Vertragsgestaltung keinerlei Raum.
Auch die Übertragung des jeweiligen Gewinnbezugsrechts in den einzelnen Anteilsübertragungen war Bestandteil des Gesamtvertragskonzepts. Danach waren auch die Übertragungen - vor dem Hintergrund des wirtschaftlich Gewollten - nur so auszulegen, dass die Klägerin ein Gewinnbezugsrecht lediglich i.H.v. 25 % übertragen bekommen sollte. Auf den Zeitpunkt der Eintragung der Kapitalerhöhung (bloßen technischen Durchgangserwerb) kam es nicht an. Soweit die frühere BFH-Rechtsprechung in vergleichbaren Zusammenhängen formal-rechtlichen Aspekten ein noch stärkeres Gewicht beigemessen hat, hält der Senat daran nicht mehr fest.
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