06.01.2021

Wie weit geht die Konzentrationsmaxime bei weiterer Klage wegen eines anderen Patents?

§ 145 PatG ist weder unmittelbar noch analog anwendbar, wenn gegen einen Beklagten wegen Verletzung desselben Patents erneut Klage erhoben wird. Funktions- und Zweckangaben definieren den durch das Patent geschützten Gegenstand regelmäßig lediglich dahin, dass er geeignet sein muss, für die im Patentanspruch genannte Funktion und den dort genannten Zweck verwendet zu werden. Bezieht sich die Funktion auf den Herstellungsvorgang eines geschützten Erzeugnisses, kann es erforderlich sein, dass sich die Funktion auch in dem fertigen Erzeugnis verwirklicht.

BGH v. 3.11.2020 - X ZR 85/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mitinhaberin des im April 2002 angemeldeten und im Juni 2009 mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents 1 373 672 (Klagepatent). Dieses betrifft einen Flügel für ein Fenster oder eine Tür. Der BGH hat das Klagepatent mit Urteil vom 28.1.2016 (X ZR 130/13) teilweise für nichtig erklärt.

Die Beklagte ist ein weltweit tätiges Unternehmen, das Fensterprofilrahmen unter der Bezeichnung "Energeto" fertigt und vertreibt. Diese werden in der weiteren Herstellungskette von den Kunden zur Herstellung von Fenstern verwendet, indem sie mit Fensterscheiben verklebt werden. Zwischen den Parteien ist seit längerem streitig, ob die Energeto-Fensterprofilrahmen von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Im Laufe der Auseinandersetzungen gab die Beklagte eine neue Verarbeitungsrichtlinie heraus. Darin findet sich der Hinweis, dass das Klagepatent einen Schutzanspruch auf einen Fensterflügel erhebe, bei dem Klebstoff bis zu einem Begrenzungselement im Falzgrund reiche; daher sei sicherzustellen, dass der Klebstoffeintrag an keiner Stelle von der Zentrierlippe begrenzt werde.

In einem früheren Rechtsstreit zwischen den Parteien wegen mittelbarer Verletzung des Klagepatents hat das Berufungsgericht den Beklagten mit Urteil vom 16.2.2017 rechtskräftig verboten, Profilrahmen zur Benutzung für Flügel für Fenster oder Türen Abnehmern in Deutschland zur Benutzung im Inland anzubieten und/oder an solche zu liefern, ohne im Falle des Anbietens blickfangmäßig darauf hinzuweisen, dass die Profilrahmen nicht ohne Zustimmung der Klägerin verwendet werden dürfen, um Flügel für Fenster oder Türen herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, die nach dem Klagepatent ausgebildet sind, "wenn die Klebstoffschicht an den Begrenzungssteg heranreicht". Zudem stellte das Berufungsgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz für ohne einen solchen Hinweis erfolgte Angebotshandlungen fest.

Im Streitfall nimmt die Klägerin die Beklagten wegen mittelbarer Verletzung des Klagepatents durch Anbieten und Liefern von Energeto-Fensterprofilrahmen in Anspruch, die dazu geeignet und bestimmt sind, für Fensterflügel verwendet zu werden, bei denen die Verklebung der Isolierverglasung entsprechend der neuen Verarbeitungsrichtlinie nicht die Zentrierlippe berührt, aber im unteren Bereich von "Innendecke zu Innendecke" und an den anderen Seiten jedenfalls bereichsweise erfolgt. Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das OLG hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unbegründet ist. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Die Revision ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Zwar ist § 145 PatG weder unmittelbar noch analog anwendbar, wenn gegen einen Beklagten wegen Verletzung desselben Patents erneut Klage erhoben wird. Hingegen kommt die Anwendung von § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in Betracht, wenn ein Patentinhaber, nachdem er bereits Klage wegen Verletzung eines Patents durch die Herstellung oder den Vertrieb einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform erhoben hat und diese Klage noch rechtshängig ist, gegen denselben Beklagten eine weitere Klage wegen Verletzung desselben Patents durch die Herstellung oder den Vertrieb einer - gegenüber der ersten - abgewandelten angegriffenen Ausführungsform. Ist in dem ersten Verletzungsverfahren insoweit bereits durch rechtskräftiges Urteil entschieden worden, kann zudem die Rechtskraft des Urteils nach § 322 Abs. 1 ZPO der Zulässigkeit der zweiten auf dasselbe Patent gestützten Verletzungsklage als negative Prozessvoraussetzung entgegenstehen.

Das Berufungsgericht hat entschieden, dass die Klage nach § 322 Abs. 1 ZPO auch nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft des (vorangegangenen) Urteils des BGH vom 16.2.2017 unzulässig ist, weil die nunmehrige Klage (allein) gegen solche Profilrahmen der Beklagten gerichtet sei, die räumlich-körperlich wie der Fenstertyp "Energeto" ausgestattet seien, bei denen eine Verklebung gemäß den neuen Verarbeitungsrichtlinien ohne Berührung des Begrenzungsstegs erfolge, und eine solche Ausführungsform nicht Gegenstand des früheren Rechtsstreits gewesen sei. Dies wurde weder von der Revisionserwiderung beanstandet, noch ließ dies einen Rechtsfehler erkennen.

Entgegen der Revisionserwiderung ist die Klage auch nicht wegen widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich gem. § 242 BGB. Die Beklagte durfte aus der im Vorprozess abgegebenen Erklärung der Klägerin, sie berühme sich derzeit keiner Ansprüche aus der mit der Widerklage zur Beurteilung gestellten Verletzungshandlung, nicht die Schlussfolgerung ziehen, die Klägerin werde von der Geltendmachung solcher Ansprüche dauerhaft absehen oder auf solche Ansprüche endgültig verzichten.

Zutreffend ist das Berufungsgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass nach der Lehre des Klagepatent die Klebstoffschicht bis zum Begrenzungssteg heranreichen muss. Zwar definieren nach der Rechtsprechung des Senats Funktions- und Zweckangaben den durch das Patent geschützten Gegenstand regelmäßig lediglich dahin, dass er geeignet sein muss, für die im Patentanspruch genannte Funktion und den dort gennannten Zweck verwendet zu werden (st. Rspr., zuletzt: BGH-Urteil v. 24.4.2018 - X ZR 50/16 - Gurtstraffer). Bezieht sich die Funktion auf den Herstellungsvorgang eines geschützten Erzeugnisses, kann es aber erforderlich sein, dass sich die Funktion auch in dem fertigen Erzeugnis verwirklicht.
BGH online
Zurück