05.01.2016

Wie wirken sich Verluste aus Geschäften mit Knock-out Produkten steuerlich aus?

Sollte eine Option automatisch mit dem Überschreiten einer bestimmten Kursschwelle durch den zugrunde liegenden Basiswert entfallen, ist der Tatbestand des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG nicht erfüllt. Die Besteuerung von Knock-out-Produkten widerspricht gerade nicht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sondern ist als folgerichtige Ausprägung der Systematik des § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 EStG anzusehen.

BFH 10.11.2015, IX R 20/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Streitjahr 2006 u.a. Optionsgeschäfte mit sog. Knock-out-Produkten getätigt, die dadurch gekennzeichnet waren, dass bei Eintritt einer Bedingung die Option auch ohne Entscheidung des Käufers verfällt. Die streitbefangenen Produkte verfielen vorzeitig und wurden wertlos, weil der Kurs des Basiswerts eine bestimmte Knock-out-Schwelle berührt oder unterschritten hatte. Es erfolgten kein Rückkauf durch den Verkäufer und kein Ausgleich durch Aktien.

Insgesamt erwirtschaftete der Kläger im Streitjahr Gewinne i.H.v. 231.988 € aus Geschäften mit Wertpapieren und Knock-out-Produkten, die er als Spekulationsgewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften in seiner Steuererklärung angab und die das Finanzamt der Besteuerung unterwarf. Er erwarb zudem Optionsscheine als Knock-out-Produkte für insgesamt 956.429 €. Dabei handelte es sich um Scheine, die an Indices bzw. einen bestimmten Kurs einer Aktie gekoppelt waren. Sie führten wegen Verfalls bei Erreichen der Knock-out-Schwelle nicht zu einem Differenzausgleich. Der Kläger begehrte die steuermindernde Berücksichtigung der Anschaffungskosten als fehlgeschlagene Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften.

In dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Verluste aus verfallenen Optionsscheinen wegen des fehlenden Tatbestandsmerkmals der Veräußerung nicht berücksichtigt werden könnten. Gleichzeitig wurde die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags aus privaten Veräußerungsgeschäften auf den 31.12.2006 aufgehoben. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:
Die Anschaffungskosten für Knock-out-Produkte waren nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen. Somit hatte das Finanzamt zu Recht den streitbefangenen Verlust des Klägers aus den verfallenen Optionen nicht anerkannt und einen entsprechenden verbleibenden Verlustvortrag nicht festgestellt.

Im vorliegenden Fall war der Tatbestand des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG nicht erfüllt. Die dem Kläger eingeräumte Option verfiel mit dem Überschreiten einer bestimmten Kursschwelle durch den zugrunde liegenden Basiswert, ohne dass der Kläger hierzu einen Entscheidungsspielraum hatte. Es fehlte an einem Beendigungstatbestand i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG. Bei § 23 Abs. 1 EStG handelt es sich um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichen mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt, so dass Aufwendungen, die während des maßgebenden Zeitraums angefallen sind, grundsätzlich Werbungskosten sein können. Daraus folgt aber nicht, dass die streitbefangenen Anschaffungskosten als Werbungskosten abziehbar wären, wenn es nicht zu einem - die Steuerbarkeit konstituierenden - Veräußerungsgeschäft kommt, der Steuertatbestand mithin nicht (vollständig) verwirklicht wird.

Das Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil wird zwar auch dann i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG beendet, wenn ein durch das Basisgeschäft indizierter negativer Differenzausgleich durch Nichtausüben der (wertlosen) Forderung aus dem Termingeschäft vermieden wird. Grund hierfür ist, dass dem Steuerpflichtigen kein wirtschaftlich sinnloses Verhalten in Gestalt der zu einer negativen Differenz führenden Ausübung seiner Option abverlangt wird, um die Optionsprämie als Werbungskosten geltend machen zu können. Die Besonderheit der streitbefangenen Optionen bestand aber darin, dass der Verfall der Option bereits ex ante bei Vertragsschluss an einen bestimmten Kurswert gekoppelt war, bei dem die Option zugleich wertlos wurde.

Mit Erreichen der Knock-out-Schwelle trat in diesem Fall ein vorzeitiger Verlust des Rechts ein, einen positiven oder negativen Differenzausgleich zu erlangen; die Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbestands von § 23 Nr. 1 S. 1 Nr. 4 EStG entfiel somit. Der Kläger hatte nicht mehr die Wahl des Verfallenlassens der Option zur Vermeidung eines noch größeren Schadens. Die willentliche Entscheidung zur Nichtausübung einer wertlosen Option als einzig wirtschaftlich sinnvolle war mit Erreichen der Knock-out-Schwelle nicht mehr möglich. Diese Besteuerung von Knock-out-Produkten widerspricht gerade nicht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sondern ist als folgerichtige Ausprägung der Systematik des § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 EStG anzusehen.

Linkhinweis:

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