20.01.2012

Zahlungen aus Bürgschaftsverpflichtungen können als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden

Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie im Einzelfall nach Art und Weise die engere Beziehung haben. Tilgungskosten aus einer Bürgschaftsverpflichtung durch den Arbeitnehmer einer Gesellschaft können deshalb auch dann zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, wenn zudem eine Gesellschafterstellung vereinbart ist.

BFH 16.11.2011, VI R 97/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit Juli 1996 als Leiter des Rechnungswesens bei der A-GmbH beschäftigt. Die GmbH befand sich 1999 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Banken lehnten zunächst weitere Kredite ab. Im November 1999 erklärte sich die Hausbank bereit, zu zahlen, wenn der Beitritt eines neuen Gesellschafters beschlossen würde, der an einer Kapitalerhöhung teilnehmen und anschließend beteiligt sein sollte. Diese vakante Position sollte der Kläger besetzen.

Die A-GmbH beantragte daraufhin erneut einen Kredit bei der E-Bank sowie die Erhöhung ihres Kontokorrentkredites bei ihrer Hausbank. Die Anträge wurden positiv beschieden, allerdings unter der Voraussetzung, dass u.a. die Gesellschafter Sicherheiten in Gestalt von Bürgschaften übernähmen. Der Kläger übernahm im Dezember 1999 eine entsprechende Höchstbetragsbürgschaft. Im gleichen Monat wurde der Kläger zum weiteren Geschäftsführer der GmbH bestellt.

Tatsächlich kam es jedoch nicht zur Eintragung der genannten Beschlüsse im zuständigen Handelsregister. Vielmehr stellte die A-GmbH im April 2000 einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Daraufhin kündigte die E-Bank den Darlehensvertrag. Im Juni 2000 endete das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der GmbH. Im September 2000 nahm die E-Bank den Kläger aus der von ihm übernommenen Bürgschaft in Anspruch und man schloss im Dezember 2002 einen Vergleich.

Der Kläger zahlte einen Restbetrag im Streitjahr 2003 und machte diesen in seiner Einkommensteuererklärung als (nachträgliche) Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen waren als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 S. 2, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG).

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung liegen Werbungskosten vor, wenn die Aufwendungen durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Dies gilt grundsätzlich auch für nachträgliche Werbungskosten, die entstehen können, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses Aufwendungen im Zusammenhang mit demselben erbringen muss. Danach können grundsätzlich auch Ausgaben zur Tilgung einer Bürgschaftsverpflichtung Werbungskosten sein. Werden sie als nachträgliche Werbungskosten geltend gemacht, muss demgemäß bereits die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung beruflich veranlasst gewesen sein.

Ist der Steuerpflichtige nicht nur Arbeitnehmer einer Gesellschaft, sondern auch deren Gesellschafter, kann die Übernahme einer Bürgschaft auch durch seine Gesellschafterstellung veranlasst sein. Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie im Einzelfall nach Art und Weise die engere Beziehung haben. Allerdings geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Übernahme einer Bürgschaft durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer mit nicht nur unwesentlicher Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft regelmäßig weniger durch die berufliche Tätigkeit, sondern eher durch die Gesellschafterstellung veranlasst ist. Dabei ist stets Voraussetzung, dass ein steuermindernder Abzug der Aufwendungen aus § 17 EStG möglich ist.

Somit erfüllten die vom Kläger geltend gemachten Kosten die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG. Die Übernahme der Bürgschaft stand im Zusammenhang mit dem Beruf und der Arbeitnehmerstellung des Klägers. Der vom FG angenommene weitere Veranlassungszusammenhang mit der geplanten Gesellschafterstellung des Klägers verdrängte diesen beruflichen Zusammenhang hier nicht, weil der Kläger nicht Gesellschafter der GmbH geworden war. Eine steuermindernde Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten als Auflösungsverluste gem. § 17 Abs. 4 EStG schied deshalb aus.

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