18.04.2012

Zahlungen eines Ehegatten auf ein gemeinsames Oder-Konto als freigebige Zuwendung an den anderen Ehegatten

Die Zahlung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto (sog. Oder-Konto) der Eheleute kann zwar zu einer der Schenkungsteuer unterliegenden Zuwendung an den anderen Ehegatten führen. Das Finanzamt muss jedoch anhand objektiver Tatsachen nachweisen, dass der nicht einzahlende Ehegatte im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei zur Hälfte über das eingezahlte Guthaben verfügen kann.

BFH 23.11.2011, II R 33/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte zusammen mit ihrem Ehemann ein Oder-Konto eröffnet, auf das nur der Ehemann Einzahlungen in erheblichem Umfang leistete. Die Einzahlungen stammten u.a. aus der Veräußerung einer Beteiligung sowie aus dazu vereinbarten Stundungszinsen. Das Finanzamt besteuerte die Hälfte der eingezahlten Beträge als Schenkungen des Ehemannes an die Klägerin.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es war der Ansicht, die Errichtung des Kontos als Oder-Konto der Eheleute begründe die Vermutung des § 430 BGB, dass beide Kontoinhaber im Innenverhältnis jeweils zu gleichen Teilen berechtigt seien. Für eine hiervon abweichende Vereinbarung im Innenverhältnis trage die Klägerin die Beweislast. Sie habe aber nicht nachweisen können, dass eine solche Vereinbarung der Eheleute vorgelegen habe und der Ehemann hinsichtlich des Oder-Kontos Alleinberechtigter gewesen sei.

Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des FG aufgrund der bisher festgestellten Tatsachen nicht die Feststellungslast dafür zu tragen, dass sie und ihr Ehemann in Bezug auf das Guthaben auf dem Konto stillschweigend eine von der Auslegungsregel des § 430  1. Hs. BGB abweichende Vereinbarung getroffen hatten.

Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist. Insofern kann auch eine Zahlung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto (sog. Oder-Konto) beider Ehegatten eine Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den anderen Ehegatten sein. Eine Bereicherung des anderen Ehegatten liegt jedoch nur vor, wenn und soweit dieser im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei über das eingezahlte Guthaben verfügen kann und die Zuwendung unentgeltlich ist.

Infolgedessen muss im vorliegenden Fall noch geklärt werden, ob die Klägerin im Verhältnis zu ihrem Ehemann zur Hälfte an dem Kontoguthaben beteiligt war. Maßgebend hierfür sind die Vereinbarungen der Eheleute sowie die Verwendung des Guthabens. Je häufiger der nicht einzahlende Ehegatte auf das Guthaben des Oder-Kontos zugreift, um eigenes Vermögen zu schaffen, umso stärker spricht sein Verhalten dafür, dass er wie der einzahlende Ehegatte zu gleichen Teilen Berechtigter ist. Verwendet der nicht einzahlende Ehegatte dagegen nur im Einzelfall einen Betrag zum Erwerb eigenen Vermögens, kann das darauf hindeuten, dass sich die Zuwendung des einzahlenden Ehegatten an den anderen Ehegatten auf diesen Betrag beschränkt und nicht einen hälftigen Anteil am gesamten Guthaben auf dem Oder-Konto betrifft.

Lässt sich der Sachverhalt im weiteren Verfahren trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismittel nicht aufklären und ergeben sich nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen keine hinreichend deutlichen und gewichtigen Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zur Hälfte an dem gesamten vom Ehemann eingezahlten Kontoguthaben beteiligt war, trägt das Finanzamt die Feststellungslast für alle Tatsachen, die zur Annahme der freigebigen Zuwendungen erforderlich sind.

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BFH PM Nr. 27 vom 18.4.2012
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