28.04.2022

Zeitpunkt der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei Vollmachtserteilung an den Notar, die Löschung einer Auflassungsvormerkung zu bewilligen

1. Eine Auflassungsvormerkung steht der Rückgängigmachung eines Kaufvertrags i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG dann entgegen, wenn der Erwerber dem Notar im notariellen Kaufvertrag lediglich die ‑‑unwiderrufliche‑‑ Vollmacht erteilt hat, die Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen; denn vor Erstellung der entsprechenden Urkunde durch den Notar liegt noch keine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form vor.
2. Eine Abtretungsanzeige, die eingeht, bevor der abzutretende Anspruch auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG entstanden ist, ist unwirksam.

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 21. 12. 2021 - VII R 5/19

GrEStG § 16 Abs 1
AO § 37, § 46 Abs 2, § 218 Abs 2
GBO § 19, § 29


Gemäß § 218 Abs. 2 AO entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 37 AO betreffen, durch Abrechnungsbescheid. Bei einem mit der Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids nach § 16 Abs. 1 GrEStG entstehenden Anspruch des Steuerpflichtigen auf Rückzahlung der bereits entrichteten Grunderwerbsteuer handelt es sich um einen eigenständigen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. von § 37 Abs. 1 AO.

Durch einen Abrechnungsbescheid entscheidet die Behörde auch, wenn unentschieden und zwischen den Beteiligten streitig ist, ob und inwieweit die Pfändung eines Erstattungsanspruchs des Steuerpflichtigen zugunsten eines Dritten wegen vorgehender Rechte weiterer Dritter bzw. anderer Pfändungsgläubiger und etwaiger Aufrechnungen durch das FA zum Erfolg geführt hat. Bescheide nach § 218 Abs. 2 AO können demnach nicht nur bei Streitigkeiten im unmittelbaren Verhältnis zwischen dem FA und dem Steuerpflichtigen (Erstattungsgläubiger), sondern auch bei Streitigkeiten über die Verwirklichung eines Erstattungsanspruchs im Verhältnis zwischen dem FA und einem Dritten, wie z.B. dem Pfändungsgläubiger, ergehen.

In einem solchen Bescheid kann dann zu klären sein, ob eine vor Zugang der Pfändungs- und Überweisungsverfügung erfolgte Abtretung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ‑‑wie vorliegend ein Anspruch aus § 16 GrEStG‑‑ wirksam war oder die gepfändete Geldforderung dem Pfändungsgläubiger nach § 835 Abs. 1 ZPO zur Einziehung oder an Zahlungs statt zum Nennwert zu überweisen ist.

Nach § 46 Abs. 1 AO können Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen u.a. abgetreten werden. Die Abtretung wird nach § 46 Abs. 2 AO jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt. "Rückgängig gemacht" i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG ist ein Erwerbsvorgang vielmehr erst dann, wenn sich die Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.

Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG setzt demnach voraus, dass die Vertragsparteien sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich gegenseitig so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen. Eine dem Erwerber verbliebene Rechtsposition kann auch unabhängig von dem zivilrechtlich beseitigten Anspruch auf Grundstücksübereignung bestehen geblieben sein, so etwa im Zusammenhang mit einer fehlenden vollständigen Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts. Diese erfordert grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Erwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung. Denn eine Auflassungsvormerkung beeinträchtigt die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs. Dies hatte das FA übersehen.

Die durch die Auflassungsvormerkung bestehende Beeinträchtigung entfällt, wenn der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer eine Löschungsbewilligung gemäß § 19 der Grundbuchordnung (GBO) in grundbuchrechtlich gebotener Form erteilt hat und der Veräußerer frei und ohne Einflussnahme seitens des Erwerbers über sie verfügen kann. Der Erwerber hat dann keine Rechtsposition mehr, die es ihm ermöglichte, auf die nachfolgende Veräußerung des Grundstücks einzuwirken.

Denn vor Eintragung des Löschungsvermerks im Grundbuch ist der Berechtigte an seine Aufgabeerklärung gemäß § 875 Abs. 2 des BGB nur gebunden, wenn er die Erklärung dem Grundbuchamt gegenüber abgegeben oder der Erklärende dem Begünstigten eine Löschungsbewilligung in einer den Vorschriften der GBO entsprechenden Form ausgehändigt hat. Damit erlangt die Löschungsbewilligung Wirksamkeit, wenn die Ausfertigung der sie enthaltenden Urkunde mit dem Willen des Erklärenden dem Adressaten, also dem Grundbuchamt, oder demjenigen, zu dessen Gunsten auf ihrer Grundlage eine Eintragung vorgenommen werden soll, in der in § 29 GBO festgelegten Form zugeht.

Eine solche Sachlage ist nicht gegeben, wenn der Erwerber dem Notar eine unwiderrufliche Vollmacht zur Bewilligung und Beantragung der Löschung einer Auflassungsvormerkung erteilt hat, gegen die innerhalb einer bestimmten Frist Einwendungen erhoben werden können. Die zivilrechtliche Rechtsprechung und Literatur unterscheiden hierbei klar zwischen der Bewilligung, die der Erwerber bereits im Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags mitbeurkunden lässt und der ‑‑unwiderruflichen‑‑ Vollmachtserteilung an den Notar, die Löschung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen Lediglich im ersten Fall der Beurkundung der Löschungsbewilligung durch den Erwerber bereits im notariellen Kaufvertrag liegt danach eine Bewilligung entsprechend der §§ 19, 29 GBO vor. Im zweiten Fall hingegen erklärt der Notar die Löschungsbewilligung im Namen des Käufers erst durch die Eigenurkunde, nachdem die vertraglich geregelten Voraussetzungen vorliegen.

Nach diesen Maßstäben war im Streitfall der Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer am 23.04.2015, dem Tag des Eingangs der Abtretungsanzeige im Original, noch nicht entstanden, weil der Notar die Löschung der Auflassungsvormerkung erst am 24.04.2015 beantragt hatte. Damit war der streitgegenständliche Abrechnungsbescheid des FA rechtsfehlerbehaftet. Das FA hätte dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Steuerpflichtigen nachkommen müssen.

Rechtsgrund für die Auszahlung einer an sich der Erwerberin zustehenden Steuererstattung an die Steuerpflichtige ist der von dieser erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 18.05.2015. Der Beschluss ist dem FA am 20.05.2015 zugestellt worden, so dass die Pfändung als bewirkt anzusehen ist (§ 829 Abs. 3 ZPO).

Die Steuerpflichtige war damit u.a. berechtigt, die Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung zu verlangen (§ 835 ZPO). Die Abtretung steht der Pfändung und Überweisung an die Steuerpflichtige nicht entgegen, da sie verfrüht, nämlich vor Entstehung des Erstattungsanspruchs mit vollständiger Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs erfolgt ist: Die Löschungsbewilligung existierte am Tag des Eingangs der Abtretungsanzeige beim FA deshalb noch nicht, weil der Notar im Kaufvertrag lediglich bevollmächtigt worden ist, die Löschungsbewilligung unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilen, nicht hingegen enthält der Kaufvertrag selbst die Löschungsbewilligung.

Auf die im Kaufvertrag genannte Frist von zehn Werktagen, innerhalb derer der Käufer dem Notar die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung in Bezug auf die Löschung der Auflassungsvormerkung vorzulegen hatte, kam es daher ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die Übersendung der Abtretungsanzeige im Original eine ‑‑nach dem Zugang dieser Anzeige per Fax‑‑ Wiederholung der Abtretungsanzeige darstellt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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