24.10.2024

Zu den Besteuerungsfolgen der unentgeltlichen Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs entweder gegen Versorgungsleistungen oder unter Vorbehalt des Nießbrauchs

1. Während die unentgeltliche Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs unter Beachtung der Voraussetzungen einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unter § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ‑‑EStDV‑‑ (seit 1999 § 6 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) fällt, greift diese Norm bei der unentgeltlichen Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs unter Vorbehalt des Nießbrauchs nicht ein (Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.01.2017 - X R 59/14, BFHE 257, 227, BStBl II 2019, 730, Rz 40).
2. Die unentgeltliche Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs unter Vorbehalt des Nießbrauchs führt beim Übertragenden im Fall der Fortführung der gewerblichen Verpachtungstätigkeit nicht zu einer steuerbegünstigten Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG, sondern zur Entnahme der übertragenen Wirtschaftsgüter. Der Vorbehaltsnießbraucher führt den verpachteten Gewerbebetrieb infolge der fehlenden Einstellung seiner gewerblichen Verpachtungstätigkeit fort.
3. Beim Tod des Vorbehaltsnießbrauchers geht ‑‑vorbehaltlich einer zuvor von ihm abgegebenen Aufgabeerklärung‑‑ sein dann weiterhin bestehender gewerblicher Verpachtungsbetrieb nach § 7 Abs. 1 EStDV bzw. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG auf den Erwerber (Erben) über. Zu diesem Zeitpunkt werden die bisher im Privatvermögen des Erwerbers befindlichen Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert in das Betriebsvermögen eingelegt.
4. § 48 der Finanzgerichtsordnung i.d.F. des Art. 27 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes gilt auch für im Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 01.01.2024 bereits anhängige Klageverfahren.

Kurzbesprechung
BFH v. 8.8.2024 - IV R 1/20

EStDV § 7 Abs 1
EStG § 6 Abs 1 Nr. 4, § 6 Abs 1 Nr. 5 S 1, § 6 Abs 3 S 1, § 16 Abs 3 S 1
FGO § 48


1. Unentgeltliche Übergabe eines Verpachtungsbetriebs

Wird ein Betrieb unentgeltlich übertragen, sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EStDV für das Streitjahr 1995, nachfolgend § 6 Abs. 3 EStG). Der Rechtsnachfolger ist an diese Werte gebunden (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStDV). Eine Entnahme oder Betriebsaufgabe liegt dann nicht vor.

Die Übertragung eines Gewerbebetriebs setzt neben der unentgeltlichen Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf den Erwerber voraus, dass der Gewerbetreibende die im Rahmen des übertragenen Betriebs ausgeübte gewerbliche Tätigkeit aufgibt. Denn der Begriff des (Gewerbe-)Betriebs ist insoweit nicht allein gegenstands-, sondern auch tätigkeitsbezogen zu verstehen. Nur so ist sichergestellt, dass nicht lediglich einzelne Wirtschaftsgüter des Unternehmens, also Betriebsmittel, übertragen werden

Auch ein verpachteter (ruhender) und noch nicht aufgegebener Betrieb kann Übertragungsgegenstand des § 7 Abs. 1 EStDV sein. Denn für eine Betriebsverpachtung genügt es, wenn der Verpächter die Wiederaufnahme durch einen unentgeltlichen Rechtsnachfolger in Erwägung zieht.

2. Übergabe eines Verpachtungsbetriebs unter Nießbrauchsvorbehalt

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 EStDV sind jedoch nicht erfüllt, wenn ein verpachteter Gewerbebetrieb unter Vorbehalt des Nießbrauchs unentgeltlich übertragen wird. In einem derartigen Fall greift § 7 Abs. 1 EStDV (bzw. § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG) nicht ein, weil es an der Einstellung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit durch den Übertragenden fehlt; der Übertragende verpachtet aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs weiterhin selbst.

Folge hiervon ist, dass der Übertragende (Vorbehaltsnießbraucher) die bisher betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen entnimmt, aber weiterhin gewerbliche Verpachtungseinkünfte erzielt. Beim Übertragenden (Vorbehaltsnießbraucher) liegt keine steuerbegünstigte (Zwangs-)Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG vor, sondern er entnimmt die übertragenen Wirtschaftsgüter; diese Entnahmen sind mit dem Teilwert zu bewerten (§ 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

Infolge der fehlenden Einstellung der bisher ausgeübten gewerblichen Verpachtungstätigkeit wird der nämliche Betrieb ‑ wenn auch um die übertragenen Wirtschaftsgüter in sächlicher Hinsicht verkleinert ‑ fortgeführt. Es macht keinen Unterschied, ob die gewerbliche Verpachtungstätigkeit mit eigenen oder fremden Wirtschaftsgütern ausgeübt wird. Denn für die Annahme einer Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG reicht es nicht aus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in das Privatvermögen überführt werden; es muss die Einstellung der betrieblichen Tätigkeit hinzukommen. Hieran fehlt es aber gerade aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs. Auch das Verpächterwahlrecht steht weiterhin dem Vorbehaltsnießbraucher zu.

3. Rechtsfolgen bei späterem Wegfall der Nießbrauchsbelastung

Erlischt zu einem späteren Zeitpunkt der Nießbrauch infolge eines unentgeltlichen Vorgangs (zum Beispiel durch den Tod des Vorbehaltsnießbrauchers), geht der in der Person des Vorbehaltsnießbrauchers bestehende gewerbliche Verpachtungsbetrieb nach § 7 Abs. 1 EStDV (bzw. § 6 Abs. 3 EStG) auf den Erwerber über. Zu diesem Zeitpunkt werden die bisher im Privatvermögen des Erwerbers befindlichen Wirtschaftsgüter bei diesem (zwingend) notwendiges Betriebsvermögen. Denn sie werden ab diesem Zeitpunkt zur Durchführung der gewerblichen Verpachtungstätigkeit eingesetzt und damit mit dem Teilwert in das Betriebsvermögen eingelegt (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Eine Bewertung dieser Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG scheidet aus, weil ein unentgeltlicher Erwerb keine Anschaffung darstellt.

4. Übertragung des verpachtungsbetriebs gegen Versorgungsleistungen

Dagegen sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 EStDV gegeben, wenn die Voraussetzungen des von der Rechtsprechung entwickelten Sonderrechtsinstituts einer Vermögensübergabe gegen private Versorgungsleistungen vorliegen. Dies gilt auch im Geltungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG, der im Jahr 1995 allerdings noch nicht anwendbar war.

Obwohl die im Zusammenhang mit der Vermögensübertragung vereinbarten wiederkehrenden Leistungen begrifflich Veräußerungsentgelt und Anschaffungskosten sind, wird dieser Vertragstypus in einem spezifisch einkommensteuerrechtlichen Sinne als unentgeltlich beurteilt. Die Versorgungsleistungen werden als vorbehaltene Vermögenserträge angesehen, die nach der Übergabe vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen. Wird ein Gewerbebetrieb unter Beachtung der von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen gegen private Versorgungsleistungen übergeben, greift hinsichtlich der Vermögensübergabe § 7 Abs. 1 EStDV ein.

5. Zurückverweisung an das FG

Im Streitfall konnte der BFH nicht abschließend entscheiden, da entscheidungserheblich war, ob die zum Jahreswechsel 1995/1996 erfolgten Übertragungsvorgänge dahingehend zu werten sind, dass der verpachtete Hotelbetrieb nach § 7 Abs. 1 EStDV unentgeltlich übertragen worden war. Er verwies den Streitfall daher zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.

Greift § 7 Abs. 1 EStDV nicht ein, kann eine beim Rechtsvorgänger unterbliebene Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven nicht über den Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs bei den Erwerbern des übertragenen Vermögens nachgeholt werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass in einem derartigen Fall der Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs beim Rechtsnachfolger nicht anwendbar ist. Denn nur beim Vorliegen aller Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 EStDV ist der Rechtsnachfolger (zunächst) nach dessen Satz 2 an die (fehlerhaften) Bilanzansätze des Rechtsvorgängers gebunden. Es reicht daher nicht aus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Betriebs unentgeltlich übertragen werden.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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