21.09.2020

Zu den Voraussetzungen der Qualifizierung von Tabak-Scraps als Rauchtabak

Unter welchen Voraussetzungen sich Tabak zum Rauchen eignet, ist nicht näher gesetzlich definiert. Entscheidend ist, ob sich die Tabak-Strips entweder unmittelbar bzw. nach weiterer Verkleinerung oder nach einer anderen nicht-industriellen Bearbeitung zum Rauchen, d.h. zum menschlichen Konsum, eigneten. Unerheblich ist demgegenüber, ob es sich um lebensmittelrechtlich zulässige oder besonders gesundheitsgefährdende Tabakerzeugnisse handelt, da das TabStG diesbezüglich keine Einschränkungen vorsieht.

FG Düsseldorf v. 8.7.2020 - 4 K 1771/19 VTa
Der Sachverhalt:
Die Fa. A mit Sitz in Polen, hatte im September 2017 der Fa. B mindestens 19.400 kg zerkleinerte Tabakblätter in unterschiedlichen Größen, sog. Tabak-Strips geliefert. Geschäftsführer der B war der Kläger. Dem Frachtbrief zufolge handelte es sich bei der gelieferten Ware um "unmanufactured flue cured Virginia tobacco in strips" der Unterposition 2401 20 85 ("flue cured" Tabak) der Kombinierten Nomenklatur (KN).

Bei einer Durchsuchung der Lagerhalle im März 2018 fand das Zollfahndungsamt 97 Kartons mit je 200 kg unversteuerten Tabaks und beschlagnahmte diese. Die Kartons waren mit dem Etikett "Virginia Tobacco Strips" versehen. Das Hauptzollamt (HZA) kam zu dem Ergebnis, es handele sich "eindeutig" um Rauchtabak i.S.d. Tabaksteuergesetzes (TabStG). Der Kläger wurde vorläufig festgenommen. In dem Termin zur Verkündung des Haftbefehls erklärte er, der Tabak sei noch nicht ausreichend verarbeitet gewesen und unterliege daher nicht der Tabaksteuer. Er habe sich in dieser Hinsicht vor der Lieferung beim Finanzamt erkundigt.

Das HZA kam nach der Untersuchung von vier Proben zu dem Ergebnis, es handele sich um Pfeifentabak. Der Tabak sei zweifelsfrei zerkleinert worden und könne mit einfachen Mitteln, durch händisches Zerkleinern, rauchfertig gemacht werden. Rippenstückchen könnten bei Bedarf von Hand aussortiert werden. Der Kläger legte ein Privatgutachten vor, dem zufolge es sich bei den Waren nicht um Rauch-, sondern um Rohtabak handele.

Das LG hob den Haftbefehl im August 2018 auf. Es kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Tabak-Strips noch mindestens ein weiterer industrieller Bearbeitungsschritt vollzogen werden müsse, damit der Tabak sich zum Rauchen eigne. So müsse der Tabak noch fermentiert werden. Das HZA folgte dem nicht. Es stellte die Tabak-Strips sicher und setzte Tabaksteuer gegenüber dem Kläger fest. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Der angefochtene Tabaksteuerbescheid und die Sicherstellungsverfügung sind rechtswidrig. Die Tabak-Strips unterliegen nicht der Tabaksteuer.

Das Gesetz sieht zwei Tatbestandsmerkmale vor, die kumulativ erfüllt sein müssen, um Tabak als Rauchtabak zu qualifizieren: Zum einen muss der Tabak geschnitten oder anders zerkleinert sein. Diese Voraussetzung ist bei den Tabak-Strips ohne weiteres und unstreitig erfüllt. Zum anderen muss sich der Tabak ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht allerdings fest, dass dieses zweite Tatbestandsmerkmal in Bezug auf die Tabak-Strips nicht erfüllt ist. Weder sind diese unmittelbar zum Rauchen geeignet noch hätten sie sich nach einer einfachen nicht-industriellen Bearbeitung zum Rauchen geeignet.

Unter welchen Voraussetzungen sich Tabak zum Rauchen eignet, ist nicht näher gesetzlich definiert. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 27.7.2016 (1 StR 19/16, wistra 2017, 74) entschieden, dass es für die Frage, ob Wasserpfeifentabak als Rauchtabak anzusehen sei, lediglich darauf ankomme, ob der nach Hitzeeinwirkung entstehende Rauch durch Einziehen in den Mundraum bzw. Inhalation genossen, also geraucht werden könne. Es komme dagegen nicht darauf an, ob der Tabak in der Wasserpfeife verbrenne oder sich die nach Hitzeeinwirkung austretenden Dämpfe durch eine andere Form der Stoffumwandlung ergäben. Nicht entscheidend für die Beurteilung, ob ein Steuergegenstand vorliege, seien weiterhin die Qualität des Produkts und seine lebensmittelrechtliche Zulassung.

Daraus kann allerdings nicht gefolgert werden, dass jeder zerkleinerte Rohtabak per se zum Rauchen geeignet sei, nur weil man ihn anzünden und - theoretisch - die dabei entstehenden gasförmigen Stoffe inhalieren könnte. Denn in diesem Fall würde das zweite Tatbestandsmerkmal, die Eignung des Tabaks zum Rauchen, praktisch gänzlich an Bedeutung verlieren. Entscheidend muss daher nach Auffassung des Senats sein, ob sich Tabak - ggf. nach einer weiteren nicht-industriellen Bearbeitung - unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zum Rauchen, d.h. zum menschlichen Konsum, eignet.

Entscheidend ist somit, ob sich die Tabak-Strips entweder unmittelbar bzw. nach weiterer Verkleinerung oder nach einer anderen nicht-industriellen Bearbeitung zum Rauchen, d.h. zum menschlichen Konsum, eigneten. Unerheblich ist demgegenüber, ob es sich um lebensmittelrechtlich zulässige oder besonders gesundheitsgefährdende Tabakerzeugnisse handelt, da das TabStG diesbezüglich keine Einschränkungen vorsieht.

In Anwendung dieser Grundsätze ist hinsichtlich der vom Senat zu beurteilenden Tabak-Strips wie folgt zu differenzieren:
  • Die Tabak-Strips eignen sich nicht unmittelbar oder nach weiterer Verkleinerung zum Rauchen als Pfeifentabak. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich die Tabak-Strips zum Zeitpunkt der Probenahme zum Rauchen geeignet hätten. Der Senat folgt insofern den Feststellungen des Sachverständigen.
  • Der Senat kann weiterhin nicht feststellen, dass die Eignung zum Rauchen durch eine andere einfache nicht-industrielle Bearbeitung hätte hergestellt werden können. Der Sachverständige hat zu dieser Frage keine näheren Feststellungen getroffen. Die Beurteilung, ob die im Streit stehenden möglichen Verfahren - im Wesentlichen die Fermentierung zur Herstellung von Pfeifentabak und die Weiterverarbeitung zu Wasserpfeifentabak - als industriell oder nicht-industriell i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG zu werten sind, stellt eine rechtliche Würdigung dar, die der Senat ohne Beweisaufnahme beantworten kann. Die in Betracht kommenden Verfahren sind danach nicht als einfache nicht-industrielle Vorgänge zu werten.
FG Düsseldorf online
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