08.02.2013

Zu den Voraussetzungen für eine nicht umsatzsteuerbare Veräußerung eines Teilvermögens

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG setzt keine Beendigung der unternehmerischen Betätigung des Veräußerers voraus. Es ist umsatzsteuerrechtlich unerheblich, dass ertragsteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung nur angenommen wird, wenn der veräußernde Gewerbetreibende die bisher in diesem Teilbetrieb entfaltete Tätigkeit endgültig einstellt.

BFH 29.8.2012, XI R 10/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der W-GmbH, die im Streitjahr 2000 die Errichtung und Erhaltung sowie die Führung von Kliniken zur Behandlung von Gefäßerkrankungen sowie zur Durchführung von Laseroperationen, zum Gegenstand hatte. Gleichwertige Gesellschafter und Geschäftsführer der W-GmbH waren die Ärzte Y. und Z. Die W-GmbH war in gemieteten Räumen in X. untergebracht. Mieter waren die W-GmbH, Y. und Z. Bis auf einen Farbstofflaser und ein "EpiLight gepulstes Lichtsystem" wurde im Februar 2000 sämtliches Anlagevermögen veräußert. Der Z. betrieb unter der bisherigen Anschrift mit den erworbenen Wirtschaftsgütern und dem von der W-GmbH übernommenen Personal eine Klinik für Venenmedizin. Die W-GmbH führte ihr Unternehmen an anderer Stelle in X. fort.

Infolge einer Außenprüfung bei der W-GmbH kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Veräußerung des Anlagevermögens nicht als eine Geschäftsveräußerung i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG anzusehen sei. Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sei daher zu erhöhen. Die W-GmbH habe ihr Unternehmen in X. fortgeführt, wenn auch unter anderer Anschrift. Auch seien nach der im Februar 2000 notariell beurkundeten Veräußerung Gegenstände im Anlagevermögen der W-GmbH verblieben.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes vor dem BFH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG angenommen.

Der § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht und ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen. Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist dagegen die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit.

Infolgedessen ist es im Rahmen einer Gesamtwürdigung für die Geschäftsveräußerung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln. Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist nicht erforderlich. Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert.

Bei der im vorliegenden Fall erfolgten Übertragung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einschließlich des Übergangs der Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis und weiteren Dauerschuldverhältnissen, dem gewollten Übergang der Konzession zum Betrieb einer Klinik und der im Zeitpunkt der Übertragung bestehenden Arbeitsverhältnisse handelte es sich um Teilvermögen i.S.d. Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG und in richtlinienkonformer Auslegung um einen in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betrieb i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG. Auch ohne Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit durch die veräußernde W-GmbH konnte Z. den Klinikbetrieb fortführen. Dies schloss es aus, eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG von der Beendigung der unternehmerischen Betätigung bei dem Veräußerer abhängig zu machen.

Aufgrund der unionsrechtlich vorzunehmenden Abgrenzung der begünstigten Teilvermögensveräußerung kam die Heranziehung ertragsteuerrechtlicher Definitionen zum Vorliegen der Veräußerung eines Teilbetriebs i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG nicht in Betracht. Es ist umsatzsteuerrechtlich unerheblich, dass ertragsteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung nur angenommen wird, wenn der veräußernde Gewerbetreibende die bisher in diesem Teilbetrieb entfaltete Tätigkeit endgültig einstellt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück