Zu den Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch aufgrund eines Freiwilligendienstes aller Generationen
BFH 24.5.2012, III R 68/11Die Klägerin ist Mutter einer im Dezember 1988 geborenen Tochter. Diese ist Mitglied einer Kirche mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ausweislich eines im April 2010 ausgestellten, vom Präsidenten unterzeichneten Schreibens wurde die Tochter als Missionarin der Kirche berufen. Mit dem Schreiben wurde sie beauftragt, 18 Monate in einer Mission zu arbeiten. Zur Vorbereitung sollte sie sich am Ende Juli 2010 in einer Missionarsschule melden.
Im Rahmen der Missionstätigkeit erteilte die Tochter Englischunterricht, gestaltete Kinderfeste und betrieb Öffentlichkeitsarbeit, wobei sie über die negativen Folgen des Drogen-, Alkohol- und Nikotinkonsums aufklärte und das Bewusstsein einer festen ehelichen Bindung als Grundlage für eine Familienpolitik verbreitete. Sie beteiligte sich ferner an Musikkonzerten und betreute ältere Personen, indem sie diese zu Gottesdiensten abholte oder gemeinsame Nachmittage mit ihnen verbrachte.
Den Antrag der Klägerin, ihr für die Tochter Kindergeld zu gewähren, lehnte die beklagte Familienkasse im August 2010 ab. Der ab Juli 2010 von der Tochter geleistete Dienst sei nicht wie ein freiwilliges soziales Jahr zu behandeln und stelle auch keine Berufsausbildung dar.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin steht für die Monate Juli bis Oktober 2010 kein Kindergeldanspruch zu.
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG im Hinblick auf die Teilnahme an einem Freiwilligendienst aller Generationen nur erfolgen kann, wenn die Voraussetzungen der in Bezug genommenen Norm des § 2 Abs. 1a SGB VII erfüllt sind. Die Aufnahme des Freiwilligendienstes aller Generationen in den Katalog des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung im Juli 2009 erfolgte mit der Begründung, dass der Freiwilligendienst aller Generationen gesetzlich geregelte Rahmenbedingungen habe, die die gemeinwohlorientierten Dienste strukturierten und insbes. eine Fort- und Weiterbildung sicherstellten. Der Gesetzgeber hielt daher eine Gleichstellung mit den bisher nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG zu berücksichtigenden Freiwilligendiensten für sachgerecht.
Der Gesetzgeber wollte demnach nicht jede Art von Freiwilligendienst durch die Berücksichtigung der diensttuenden Kinder beim Kindergeldanspruch der Eltern erfassen. Auch wenn in § 2 Abs. 1a SGB VII nur die Voraussetzungen für die Einbeziehung der Freiwilligen in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung geregelt sind, folgt hieraus entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass die dort an den Freiwilligendienst gestellten Anforderungen hinsichtlich des Anspruchs auf Kindergeld keine Rolle spielen. Vielmehr nimmt § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG durch die Verweisung auf § 2 Abs. 1a SGB VII dessen Voraussetzungen in seinen Tatbestand mit auf und begünstigt deshalb nur solche Freiwilligendienste durch Gewährung eines Kindergeldanspruchs, welche die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB VII erfüllen.
Die in § 2 Abs. 1a SGB VII enthaltene Definition des Freiwilligendienstes setzt u.a. voraus, dass der Freiwillige seine Schulpflicht erfüllt hat. Hinsichtlich des Trägers wird zum einen verlangt, dass dieser eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG fallende Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 AO) ist. Zum anderen wird eine besondere Eignung des Trägers vorausgesetzt, die daraus abgeleitet wird, dass dieser die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellt.
Zum Umfang des Freiwilligendienstes fordert § 2 Abs. 1a SGB VII eine wöchentliche Mindeststundenzahl von acht Stunden und eine Mindestdauer von sechs Monaten. Ferner wird die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit vorausgesetzt. Schließlich hat der Gesetzgeber zur Absicherung seiner Anforderungen an den Freiwilligendienst auch formale Bedingungen aufgestellt, die einerseits durch die geforderte Schriftform der Vereinbarung und andererseits durch die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zum Ausdruck kommen. Diesen Grundsätzen entspricht es, wenn das FG eine - hier jedoch nicht vorliegende - die Schriftform wahrende Vereinbarung zwischen dem Träger und der T gefordert hat. Darüber hinaus wurden vorliegend keine Angaben zu Art und zeitlichem Umfang des Dienstes gemacht.
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