Zufluss und Bewertung von Aktienoptionsrechten für Arbeitnehmer
BFH 18.9.2012, VI R 90/10Der Kläger war bei der E-GmbH als Geschäftsführer beschäftigt und gleichzeitig an dieser in geringem Umfang (unter 1,5 %) beteiligt. Die E-GmbH räumte am 29.10.2002 dem Kläger für seine erfolgreiche Tätigkeit das Recht ein, 15.000 Stückaktien der A-AG zum Kaufpreis von 0,65 € je Aktie zu erwerben. Dieses (Options-)Recht konnte vom 1.1.2004 bis 10.1.2005 ausgeübt werden. Der Optionsvertrag berechtigte den Kläger, seine Rechte und Pflichten daraus auf die Z-GmbH zu übertragen; an dieser war der Kläger zu 100 % beteiligt und ihr Unternehmensgegenstand war die Verwaltung eigenen Vermögens. Neben Aktien der A-AG hielt die Z-GmbH in den Jahren 2002 bis 2005 auch Anteile der E-GmbH und Anteile an Geldmarktfonds. Die Z-GmbH durfte das Optionsrecht allerdings nicht ausüben, wenn in der Zeit zwischen Übertragung und Ausübung des Optionsrechts der Kläger nicht mindestens 90 % der Geschäftsanteile an der Z-GmbH hielt. Andere Verfügungen über das Optionsrecht waren unzulässig.
Am 29.11.2002 übertrug der Kläger sein Optionsrecht auf die Z-GmbH, wofür diese Z-GmbH 0,10 € pro Aktie zahlen musste. Der Kurswert der A-AG Aktie betrug zu diesem Stichtag 1,84 €. Die Z-GmbH zahlte dem Kläger die 1.500 € am 15.1.2004. Die Z-GmbH übte am 9.1.2004 gegenüber der E-GmbH das Optionsrecht aus. Die Aktien der A-AG wurden am 12.1.2004 in das Depot der Z-GmbH eingeliefert. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Kurswert 5,41 € je Aktie. Im Jahr 2005 veräußerte die Z-GmbH 5 000 Aktien der A-AG.
Nachdem das Finanzamt durch eine Betriebsprüfung bei der E-GmbH über die näheren Umstände der Gewährung und Ausübung des Optionsrechts erfahren hatte, änderte es den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Streitjahr 2004 und erhöhte die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 71.400 €, wobei es allerdings den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG an. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Zwar hatte das FG grundsätzlich zutreffend entschieden, dass die Einräumung eines Optionsrechts durch den Arbeitgeber zu Gunsten seines Arbeitnehmers einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil begründen kann. Allerdings war dem Kläger ein solcher geldwerter Vorteil nicht im Streitjahr 2004 zugeflossen.
Der Vorteil aus einer Optionsgewährung fließt dem Arbeitnehmer als Optionsnehmer nicht nur dadurch zu, dass er die Optionsrechte ausübt, sondern auch dadurch, dass der Arbeitnehmer die Optionsrechte anderweitig verwertet. Eine solche anderweitige Verwertung liegt regelmäßig vor, wenn der Arbeitnehmer über das Recht verfügt, so etwa, wenn der Arbeitnehmer ein Wandeldarlehen samt damit verbundenem Wandlungsrecht gegen Entgelt auf einen Dritten überträgt oder der Arbeitnehmer auf ein ihm zugewandtes Aktienankaufsrecht gegen Entgelt verzichtet. Denn auch durch solche anderweitigen Verwertungen dieser Optionsrechte kann der Arbeitnehmer den diesen innewohnenden Wert realisieren. Der Vorteil bemisst sich dabei nach dem Wert des Rechts im Zeitpunkt der Verfügung darüber.
Infolgedessen war dem Kläger im hier streitigen Veranlagungszeitraum 2004 kein geldwerter Vorteil dadurch zugeflossen, dass die Z-GmbH das ihr vom Kläger am 29.11.2002 übertragene Optionsrecht am 9.1.2004 ausgeübt hatte. Der Kläger hatte das ihm von seiner Arbeitgeberin am 29.10.2002 eingeräumte Optionsrecht schon am 29.11.2002 dadurch verwertet, dass er es an diesem Tag auf die Z-GmbH übertragen hatte. Denn entgegen der Auffassung des FG ist auch eine verdeckte Einlage eines dem Arbeitnehmer von dessen Arbeitgeber eingeräumten Optionsrechts eine Verwertung des Rechts durch den Arbeitnehmer, indem er das Recht auf einen anderen Rechtsträger überträgt.
Der Vorteil aus der Verwertung des Optionsrechts war nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG im Zeitpunkt der Verfügung darüber zugeflossen und auch auf diesen Zeitpunkt zu bewerten. Entscheidend war somit der Wert des Optionsrechts im Zeitpunkt der Übertragung auf die Z-GmbH, also zum 29.11.2002. Die Ausübung des auf die Z-GmbH übertragenen Optionsrechts war dem Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung unmittelbar zuzurechnen, denn dafür gab es keine Anhaltspunkte.
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