Zuflussbesteuerung bei Veräußerungszeitrenten
BFH v. 5.11.2019 - X R 12/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bis zum Jahr 2009 Gesellschafter einer KG. Diese veräußerte in jenem Jahr ein Grundstück zum Preis von 1,5 Mio. €. In Bezug auf den auf den Kläger entfallenden Gewinnanteil wurde die Verrentung des Kaufpreises in Form von 123 monatlichen Zahlungen mit einem Zinssatz von 5 % p.a. vereinbart. Diese dienten laut Kaufvertrag vom 29.07.2008 der Altersversorgung des Klägers. Im Streitjahr 2011 betrugen die Zinsen 59.655 EUR.
Die Kläger wählten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2009 die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach dem Zuflussprinzip. Das Finanzamt veranlagte entsprechend. Im Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011 beantragte der Kläger dann (erstmals), den in den Zahlungen enthaltenen Zinsanteil nicht mehr als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln. Das Finanzamt berücksichtigte hingegen den Gesamtbetrag als nachträgliche Betriebseinnahmen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision des Klägers vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Dem Kläger sind die vereinbarten Zinsen im Streitjahr als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG zugeflossen.
Zutreffend hat das FG erkannt, dass die zugunsten des Klägers vereinbarten Kaufpreiszahlungen als wiederkehrende Leistungen zu behandeln sind. Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen wiederkehrende Bezüge - insbesondere gegen eine Leibrente -, gewähren ihm sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung (R 16 Abs. 11 EStR) in Bezug auf die Einkommensteuer Erleichterungen. Dabei handelt es sich bei der Sofortbesteuerung um den gesetzlichen Normalfall und die Zuflussbesteuerung stellt "eine auf Billigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende Ausnahmeregelung" dar. Daraus folgt, dass der Gewinn aus einer Betriebsveräußerung auch dann, wenn der Veräußerungserlös in Form wiederkehrender Bezüge gezahlt wird, grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Veräußerung zu versteuern ist; zu einer Zuflussbesteuerung kann es nur kommen, wenn diese vom Steuerpflichtigen ausdrücklich gewählt wird.
Besteht der Kaufpreis eines Gewerbebetriebs u.a. aus langfristig wiederkehrenden Bezügen, die hauptsächlich im Interesse des Veräußerers vereinbart wurden, um dessen Versorgung zu sichern, und nicht im Interesse des Erwerbers, so liegen Bezüge vor, die einer Leibrente gleichen. Sie sind im Fall eines ungewöhnlich langen, nicht mehr übersehbaren Zeitraums ähnlich wagnisbehaftet und eröffnen als sog. (Veräußerungs-)Zeitrenten das Wahlrecht zwischen der Sofort- und der Zuflussbesteuerung. Für die Unterscheidung einer solchen betrieblichen Veräußerungszeitrente von der Veräußerung gegen Kaufpreisraten ist der Vertragsinhalt entscheidend, der eindeutig die Absicht des Veräußerers erkennen lassen muss, sich mit der Veräußerung eine Versorgung zu verschaffen.
Die die höchstrichterliche Rechtsprechung hält etwa eine Laufzeit der wiederkehrenden Bezüge von über 25 Jahre als außerhalb des Stundungszeiträume liegend. Kaufpreisraten über einen Zeitraum von nur zehn Jahren liegen dagegen (noch) "in einem im Geschäftsleben durchaus üblichen Rahmen". Die Finanzverwaltung gewährt nach H 16 Abs. 11 EStH bei einer Zeitrente das für die Veräußerung des Betriebs gegen wiederkehrende Leistungen vorgesehene Wahlrecht nach R 16 Abs. 11 EStR und stellt bei Kaufpreisratenzahlung auf einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren ab.
Im Streitfall waren die Voraussetzungen für die Wahl der Zuflussbesteuerung erfüllt. Das Finanzamt hatte das Vorliegen einer Betriebsveräußerung bestandskräftig und bindend festgestellt. Außerdem wurde eine Zeitrente mit einer Laufzeit von mehr als zehn Jahren zur Versorgung des Klägers vereinbart. Letztendlich hatte der Kläger im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2009 sein Wahlrecht auf Inanspruchnahme der Zuflussbesteuerung wirksam ausgeübt und war in jenem Jahr auch entsprechend veranlagt worden. Deswegen stand auch für das Streitjahr 2011 bindend fest, dass der Steuerpflichtige den festgestellten Veräußerungsgewinn für seine Mitunternehmeranteile entsprechend dem Zufluss zu versteuern hatte.
Wählt der Steuerpflichtige die Zuflussbesteuerung des Veräußerungsgewinns, kommt es - anders als im Fall der Sofortversteuerung - gerade nicht zur Besteuerung der stillen Reserven im Veräußerungszeitpunkt. Auch eine Unterscheidung zwischen der Besteuerung eines laufenden Gewinns und der ermäßigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns ist nicht nötig. Es kommt vielmehr zu einer ratierlichen Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven, sobald das Kapitalkonto überschritten wurde. Diese Betrachtung zwingt zu der Annahme, dass die Kaufpreisforderung des Veräußerers, die ja auch die stillen Reserven des Unternehmens umfasst, weiterhin (Rest-)Betriebsvermögen bzw. betrieblich verhaftet bleiben muss. Sie wird (allein) aufgrund der Veräußerung des Betriebs im Ganzen nicht in das Privatvermögen überführt. Wenn dem so ist, kann der Zufluss des in den Kaufpreisanteilen enthaltenen Zinsanteils nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen führen. Dies verbietet die Subsidiarität dieser Einkünfte.
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Der Kläger war bis zum Jahr 2009 Gesellschafter einer KG. Diese veräußerte in jenem Jahr ein Grundstück zum Preis von 1,5 Mio. €. In Bezug auf den auf den Kläger entfallenden Gewinnanteil wurde die Verrentung des Kaufpreises in Form von 123 monatlichen Zahlungen mit einem Zinssatz von 5 % p.a. vereinbart. Diese dienten laut Kaufvertrag vom 29.07.2008 der Altersversorgung des Klägers. Im Streitjahr 2011 betrugen die Zinsen 59.655 EUR.
Die Kläger wählten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2009 die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach dem Zuflussprinzip. Das Finanzamt veranlagte entsprechend. Im Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011 beantragte der Kläger dann (erstmals), den in den Zahlungen enthaltenen Zinsanteil nicht mehr als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln. Das Finanzamt berücksichtigte hingegen den Gesamtbetrag als nachträgliche Betriebseinnahmen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision des Klägers vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Dem Kläger sind die vereinbarten Zinsen im Streitjahr als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG zugeflossen.
Zutreffend hat das FG erkannt, dass die zugunsten des Klägers vereinbarten Kaufpreiszahlungen als wiederkehrende Leistungen zu behandeln sind. Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen wiederkehrende Bezüge - insbesondere gegen eine Leibrente -, gewähren ihm sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung (R 16 Abs. 11 EStR) in Bezug auf die Einkommensteuer Erleichterungen. Dabei handelt es sich bei der Sofortbesteuerung um den gesetzlichen Normalfall und die Zuflussbesteuerung stellt "eine auf Billigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende Ausnahmeregelung" dar. Daraus folgt, dass der Gewinn aus einer Betriebsveräußerung auch dann, wenn der Veräußerungserlös in Form wiederkehrender Bezüge gezahlt wird, grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Veräußerung zu versteuern ist; zu einer Zuflussbesteuerung kann es nur kommen, wenn diese vom Steuerpflichtigen ausdrücklich gewählt wird.
Besteht der Kaufpreis eines Gewerbebetriebs u.a. aus langfristig wiederkehrenden Bezügen, die hauptsächlich im Interesse des Veräußerers vereinbart wurden, um dessen Versorgung zu sichern, und nicht im Interesse des Erwerbers, so liegen Bezüge vor, die einer Leibrente gleichen. Sie sind im Fall eines ungewöhnlich langen, nicht mehr übersehbaren Zeitraums ähnlich wagnisbehaftet und eröffnen als sog. (Veräußerungs-)Zeitrenten das Wahlrecht zwischen der Sofort- und der Zuflussbesteuerung. Für die Unterscheidung einer solchen betrieblichen Veräußerungszeitrente von der Veräußerung gegen Kaufpreisraten ist der Vertragsinhalt entscheidend, der eindeutig die Absicht des Veräußerers erkennen lassen muss, sich mit der Veräußerung eine Versorgung zu verschaffen.
Die die höchstrichterliche Rechtsprechung hält etwa eine Laufzeit der wiederkehrenden Bezüge von über 25 Jahre als außerhalb des Stundungszeiträume liegend. Kaufpreisraten über einen Zeitraum von nur zehn Jahren liegen dagegen (noch) "in einem im Geschäftsleben durchaus üblichen Rahmen". Die Finanzverwaltung gewährt nach H 16 Abs. 11 EStH bei einer Zeitrente das für die Veräußerung des Betriebs gegen wiederkehrende Leistungen vorgesehene Wahlrecht nach R 16 Abs. 11 EStR und stellt bei Kaufpreisratenzahlung auf einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren ab.
Im Streitfall waren die Voraussetzungen für die Wahl der Zuflussbesteuerung erfüllt. Das Finanzamt hatte das Vorliegen einer Betriebsveräußerung bestandskräftig und bindend festgestellt. Außerdem wurde eine Zeitrente mit einer Laufzeit von mehr als zehn Jahren zur Versorgung des Klägers vereinbart. Letztendlich hatte der Kläger im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2009 sein Wahlrecht auf Inanspruchnahme der Zuflussbesteuerung wirksam ausgeübt und war in jenem Jahr auch entsprechend veranlagt worden. Deswegen stand auch für das Streitjahr 2011 bindend fest, dass der Steuerpflichtige den festgestellten Veräußerungsgewinn für seine Mitunternehmeranteile entsprechend dem Zufluss zu versteuern hatte.
Wählt der Steuerpflichtige die Zuflussbesteuerung des Veräußerungsgewinns, kommt es - anders als im Fall der Sofortversteuerung - gerade nicht zur Besteuerung der stillen Reserven im Veräußerungszeitpunkt. Auch eine Unterscheidung zwischen der Besteuerung eines laufenden Gewinns und der ermäßigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns ist nicht nötig. Es kommt vielmehr zu einer ratierlichen Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven, sobald das Kapitalkonto überschritten wurde. Diese Betrachtung zwingt zu der Annahme, dass die Kaufpreisforderung des Veräußerers, die ja auch die stillen Reserven des Unternehmens umfasst, weiterhin (Rest-)Betriebsvermögen bzw. betrieblich verhaftet bleiben muss. Sie wird (allein) aufgrund der Veräußerung des Betriebs im Ganzen nicht in das Privatvermögen überführt. Wenn dem so ist, kann der Zufluss des in den Kaufpreisanteilen enthaltenen Zinsanteils nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen führen. Dies verbietet die Subsidiarität dieser Einkünfte.