02.08.2018

Zum Abzug von Schuldzinsen bei steuerpflichtigen Erstattungszinsen

Schuldzinsen für ein Darlehen, das zur Finanzierung einer Einkommensteuernachzahlung aufgenommen worden ist, können als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abzugsfähig sein, wenn die Einkommensteuer später wieder herabgesetzt und hierfür steuerpflichtige Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG gezahlt werden. Insoweit liegt ein Fall erzwungener Kapitalüberlassung vor, bei dem es zur Begründung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Kreditaufnahme und späteren Zinseinnahmen ausreicht, wenn das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet worden ist, eine (letztlich nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen.

BFH 28.2.2018, VIII R 53/14
Der Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten darüber, ob Schuldzinsen für ein Darlehen, das im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Einkommensteuernachzahlung aufgenommen worden ist, in den Streitjahren (2002 bis 2004) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind, da das Finanzamt die Einkommensteuer später wieder herabgesetzt und dem Kläger steuerpflichtige Erstattungszinsen gezahlt hat.

Der Kläger ist Gesellschafter zweier Personengesellschaften, für die das Finanzamt im Anschluss an Betriebsprüfungen für die Jahre 1994 bis 1998 geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erließ. Auf Grundlage dieser Bescheide änderte das Finanzamt im Jahr 2002 die Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Jahre 1994 bis 1998. Die daraus resultierenden Steuernachzahlungen beglich der Kläger am 7.6.2002 (rd. 230.000 €) und am 5.11.2002 (rd. 50.000 €). Zur Finanzierung der Nachzahlung vom 7.6.2002 schloss der Kläger mit seiner Bank einen Vertrag über ein Darlehen i.H.v. rd. 230.000 €, das mit einem effektiven Jahreszinssatz i.H.v. 6,06 % zu verzinsen war. Das hierzu geführte Darlehenskonto weist die Sollbuchung des Darlehensbetrags mit Wertstellung zum 6.6.2002 aus. Am 25.6.2003 wurde der Darlehensvertrag durch einen neuen Darlehensvertrag mit einem effektiven Jahreszinssatz i.H.v. 5,22 % abgelöst. Die Steuernachzahlung vom 5.11.2002 finanzierte der Kläger ebenfalls durch Aufnahme eines Bankdarlehens. Sämtliche Darlehensverträge wiesen im Verwendungszweck auf die Steuernachzahlungen hin.

Die gegen die geänderten Feststellungsbescheide eingelegten Einsprüche waren teilweise erfolgreich und führten im Jahr 2004 zu geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1994 bis 1998 mit Steuererstattungen i.H.v. insgesamt rd. 195.000  € und der Erstattung von Nachzahlungszinsen i.H.v. rd. 38.000 €. Für die Steuererstattungen erhielt der Kläger Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO i.H.v. rd. 33.000 €. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 14.12.2005, den Zinsaufwand und die Gebühren (im Folgenden "Zinsaufwand") für das i.H.v. 230.000 € aufgenommene Darlehen in den Jahren 2002 und 2003 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, die er in Gestalt der Erstattungszinsen erzielt habe. Für das Jahr 2004 setzte der Kläger in der Einkommensteuererklärung die Erstattungszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen an und machte ebenfalls den Zinsaufwand als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung des Zinsaufwands als Werbungskosten in den Jahren 2002 bis 2004 ab, behandelte aber die Erstattungszinsen im Jahr 2004 als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:

Das FG hat rechtsfehlerhaft den Abzug des anteiligen Zinsaufwands als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen abgelehnt. Vielmehr liegen in dieser Höhe Werbungskosten für die vom Kläger zu versteuernden Erstattungszinsen vor.

Bei erzwungenen Kapitalüberlassungen reicht es zur Begründung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Kreditaufnahme und späteren Zinseinnahmen aus, wenn das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet worden ist, eine (letztlich nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen. Denn bei erzwungenen Kapitalüberlassungen liegt darin kein willkürlicher Wechsel des Finanzierungszwecks, sondern der wirtschaftliche Zusammenhang ergibt sich aus den objektiven Umständen. Vor diesem Hintergrund hat das FG zu Unrecht den erforderlichen Veranlassungszusammenhang des für die Streitjahre 2002 bis 2004 geltend gemachten Zinsaufwands mit den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen verneint. Vielmehr reicht es zur Begründung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Kreditaufnahme und späteren Erstattungszinsen aus, dass das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet worden ist, eine (letztlich nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen.

In den vorliegenden Darlehensverträgen war als Verwendungszweck auf die Steuernachzahlungen Bezug genommen worden. Diese Steuernachzahlungen hatten sich unter Berücksichtigung der Änderungsbescheide des Jahres 2004 auch als teilweise nicht gerechtfertigt herausgestellt. Ob der daraus resultierende Erstattungsanspruch bereits mit Erlass der materiell rechtswidrigen Bescheide im Jahr 2002 oder erst mit deren formeller Korrektur im Jahr 2004 entstand, war für die wertende Betrachtung des Veranlassungszusammenhangs letztlich ebenso unerheblich wie die formelle Bescheidlage zum Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung des Darlehens. Maßgebend waren allein die objektiven Umstände, wie sie sich nach Korrektur der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1998 und Zahlung der Erstattungszinsen im Jahr 2004 darstellten. Dem Werbungskostenabzug steht in einem solchen Fall auch § 12 Nr. 3 EStG nicht entgegen. Die Vorschrift ordnet an, dass Steuern vom Einkommen sowie die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Zu den steuerlichen Nebenleistungen gehören gem. § 3 Abs. 4 AO auch Nachzahlungszinsen i.S.d. § 233a AO.

Hier waren die Voraussetzungen des § 12 Nr. 3 EStG nach dessen Wortlaut jedoch nicht erfüllt. Denn es ging weder um den Abzug der (nachgeforderten) Einkommensteuer noch um den Abzug der darauf entfallenden Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO, sondern allein um den Abzug des Zinsaufwands für ein Darlehen, das der Steuerpflichtige zur Refinanzierung der Zahlung der nachgeforderten Einkommensteuer und der darauf entfallenden Nachzahlungszinsen aufgenommen hatte. Ob ein solcher Zinsaufwand durch weite Auslegung der Vorschrift vom unmittelbaren Anwendungsbereich des § 12 Nr. 3 EStG erfasst wird, brauchte hier nicht abschließend entschieden werden. Denn soweit das Finanzamt im Jahr 2004 die Einkommensteuerbescheide wieder geändert und für die ursprünglichen Nachforderungen Steuererstattungen festgesetzt hatte, lagen bereits keine nachträglichen Einkommensteuerzahlungen oder Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO (mehr) vor. Auch insoweit sind im Fall der erzwungenen Kapitalüberlassung allein die objektiven Umstände maßgeblich, wie sie sich nach Änderung der Einkommensteuerbescheide im Jahr 2004 darstellten.

Das FG durfte den Werbungskostenabzug auch nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers ablehnen. Denn in den Fällen erzwungener Kapitalüberlassungen kommt es letztlich nicht auf die Feststellung der subjektiven Einkünfteerzielungsabsicht an. Maßgebend ist allein die objektive Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit, d.h. die Frage, ob die Erstattungszinsen nach Abzug des als Werbungskosten zu berücksichtigenden Zinsaufwands bei objektiver (nachträglicher) Betrachtung zu einem Totalüberschuss führen. Vorliegend kam es zu einem solchen Totalüberschuss, da die vom Steuerpflichtigen insgesamt geltend gemachten Werbungskosten nicht den Betrag der erzielten Erstattungszinsen erreichten. Hierfür kommt es auf den objektiven periodenübergreifenden Totalüberschuss an. Deshalb ist es unerheblich, ob der Zinsaufwand bei isolierter Betrachtung einzelner Darlehen oder Zeitabschnitte über den erzielten Erstattungszinsen liegt.

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