Zum Abzug von Versorgungsleistungen bei Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge
BFH 8.11.2012, V R 57/10Streitig ist, ob die von einem Kind aufgrund einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aus der übertragenen Einkunftsquelle bezogenen Einkünfte um vertraglich vereinbarte Versorgungsleistungen zu mindern sind, die an den Vermögensübergeber gezahlt werden.
Der Kläger ist Vater der 1979 geborenen Tochter (A), die in den Streitzeiträumen (2001, 2003 und 2004) an einer Universität als Studentin immatrikuliert war. Sie erzielte u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgrund einer Beteiligung an einer zusammen mit dem Vater und der Schwester gebildeten GbR, die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung eines gewerblich vermieteten Grundstücks bezog. Das Grundstück war der GbR bereits im Oktober 1994 von der Mutter des Klägers (X) im Wege der unentgeltlichen Vermögensübergabe im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge gegen Versorgungsleistungen (dauernde Last), die einkommensteuerrechtlich als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG (in der in den Streitjahren 2001, 2003 und 2004 geltenden Fassung) abziehbar sind, übertragen worden. X verstarb im Oktober 2004.
Die auf die A entfallenden Einkünfte lagen in den Streitjahren - je nachdem, ob die Versorgungsleistungen von den Einkünften der A abgezogen werden - über oder unter dem jeweiligen Grenzbeträgen des § 32 Abs. 4 EStG a.F. Die beklagte Familienkasse lehnte die Gewährung von Kindergeld ab.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision der Familienkasse hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach Abzug der auf A entfallenden anteiligen Versorgungsleistungen sind die zu berücksichtigenden Einkünfte der A in den Streitjahren geringer als der Grenzbetrag, so dass dem Kläger Kindergeld in der beantragten Höhe für die Streitjahre zusteht.
Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. S. 2 EStG war ein über 18 Jahre altes, in Berufsausbildung befindliches Kind - wie A im Streitfall - beim Kindergeld nicht mehr zu berücksichtigen, wenn es "Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind" erhält, die in den Streitjahren den Grenzbetrag von 14.040 DM (2001), 7.188 € (2003) und 7.680 € (2004) überschreiten. Die von A erzielten Einkünfte aus ihrer Beteiligung an der GbR überstiegen diese Grenzbeträge; berücksichtigt man jedoch, wie es das FG zu Recht getan hat, die auf die Tochter des Klägers entfallenden Versorgungsleistungen als Abzugsposten, wurden die Grenzbeträge nicht überschritten.
Es sind Einkünfte nur dann zu berücksichtigen, soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Diejenigen Beträge, die, wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar sind und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken können, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung des Unterhalts zu dienen bestimmt sind, sind nicht in die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG einzubeziehen. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die auf die Tochter des Klägers aufgrund ihrer Beteiligung an der GbR entfallenden Einkünfte ebenso wie die Verpflichtung zur Zahlung der Versorgungsleistungen auf einer Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge beruhen und daher dem Sonderrecht der Vermögensübergabe unterliegen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist dabei davon auszugehen, dass der Übernehmer des Vermögens durch die Übernahme der Verpflichtung zur Erbringung der Versorgungsleistungen keine Gegenleistung für die Übernahme des Vermögens an den Übergeber im Sinne eines Anschaffungsvorgangs erbringt, sondern sich der Übergeber vielmehr aus dem übertragenen Vermögen Teile der nunmehr vom Vermögensübernehmer zu erwirtschaftenden Nettoerträge vorbehält. Danach stellt die Übernahme der Verpflichtung zu Versorgungsleistungen eine von vornherein vom Übergeber vorbehaltene Minderung des übertragenen Vermögens dar.
Wie der Große Senat des BFH ausgeführt hat, unterscheidet sich die Versorgungsleistung von einer Unterhaltsleistung; sie enthält deshalb auch keine Zuwendung des Übernehmenden aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht. Der Vorbehalt der Erträge stellt sich vielmehr dar als ein "Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit" und führt zu einem vergleichbaren Ergebnis wie bei der unentgeltlichen Übertragung einer Einkunftsquelle unter Nießbrauchsvorbehalt. Dies gebietet eine Gleichhandlung einer Vermögensübertragung gegen Versorgungslast mit der Übertragung einer Einkunftsquelle unter Nießbrauchsvorbehalt.
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