Zum Ansatz der Marktrendite
BFH 20.8.2013, IX R 38/11Der Kläger hatte am 20.12.2005 im Rahmen eines einheitlichen schriftlichen Auftrags die Bank AG beauftragt, für ihn über den freien Kapitalmarkt 244 Calls "für DAX Seitwärtsstrategie" zu kaufen. Bedingung für den Auftrag war, dass die Bank dem Kläger ein Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises gewährte. Die Calls I konnten zweimal monatlich ausgeübt werden und berechtigten den Kläger gegen Zahlung eines Basispreises, eine von der Bank AG begebene Inhaberschuldverschreibung ("ISV I") zu erwerben.
Zur (teilweisen) Absicherung der Verlustrisiken erwarb der Kläger zudem 122 Calls II. Diese waren bei ansonsten identischer Ausgestaltung auf den Erwerb einer weiteren von der Bank AG begebenen Inhaberschuldverschreibung ("ISV II") gerichtet, deren Auszahlungsprofil dem der ISV I spiegelbildlich entsprach. Durch den Erwerb des Optionsscheinpaares hatte der Kläger die Möglichkeit, im Fall der erwarteten Seitwärtsbewegung eine Rendite von rd. 8,5 % zu erzielen und im Fall des Nichteintritts der allgemeinen Markterwartung ihr Risiko auf rd. 4,5 % zu reduzieren. In der Folgezeit stieg der Wert der Calls I und fiel der Wert der gegenläufig angelegten Calls II. Damit verloren die den Calls II zugrundeliegenden ISV II 85 % ihres Wertes, während die den Calls I zugrundeliegenden ISV I nunmehr einen Wert von 180 % ihres Nennwertes aufwiesen.
Das Finanzamt erkannte den vom Kläger geltend gemachten Verlust, der durch die Ausübung der Calls auf den Erwerb der ISV und die Veräußerung der ISV entstanden war, nicht an. Mit seiner Klage verfolgte der Kläger sein Anliegen weiter, den streitigen Verlust i.H.v. rd. 25,9 Mio. € anzuerkennen und den verbleibenden Verlustvortrag gem. § 10d Abs. 4 EStG zum 31.12.2006 mit 14,2 Mio. € festzustellen. Hilfsweise, unter Änderung des Verlustfeststellungsbescheids den streitigen Verlust bei dem verbleibenden Verlustvortrag gem. § 10d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu berücksichtigen.
Das FG lehnte den Hauptantrag ab, der Hilfsantrag hatte hingegen Erfolg. Die Revision des Klägers war unbegründet.
Die Gründe:
Der streitige Verlust aus der Veräußerung der ISV II führte nicht zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG (Marktrendite).
Die Marktrendite ist nicht anzusetzen, wenn der sicher zugesagte Zinsertrag einer Inhaberschuldverschreibung zweifelsfrei von der ungewissen Höhe des Rückzahlungsbetrags getrennt werden kann. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung auf Vertragsgestaltungen reagiert, die auf eine Kombination von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gerichtet waren, um statt steuerpflichtiger Zinserträge steuerfreie private Veräußerungsgewinne zu erzielen. Er hat die grundsätzlich im System des Einkommensteuergesetzes hinsichtlich der Überschusseinkünfte angelegte Differenzierung zwischen Quellenausnutzung und Quellenverwertung nicht aufgegeben.
Bei den vorliegend zu beurteilenden ISV II ging es angesichts der festen Verzinsung i.H.v. 1 % nicht darum, Nutzungsentgelt und Kursentwicklung untrennbar zu verbinden, so dass auf die Marktrendite abzustellen wäre. Der streitige Veräußerungsverlust war vielmehr ein negativer Erlös, bei dem feststand, dass es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht um ein negatives Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung handelte.
Zutreffend hatte das FG zudem einen Veräußerungsverlust i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG angenommen. Den Veräußerungspreis für die ISV II minderten die Aufwendungen für die Calls II. Zwar handelte es sich nicht um Aufwendungen, die geleistet wurden, um die ISV II zu erwerben. Jedoch waren die Anschaffungskosten der Calls II durch die Veräußerung der ISV II veranlasst und damit als Werbungskosten absetzbar. Der Kläger erwarb die Calls II, um aus der Veräußerung der durch ihre Ausübung erlangten ISV II einen Gewinn zu erzielen. Seine Leistungsfähigkeit war durch die aufgewandten Kosten für den Erwerb der Calls II gemindert.
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