18.03.2015

Zum Ausgleich der aufgrund einer fehlerhaften steuerlichen Beratung erlittenen Nachteile durch die gleichzeitige Steuerersparnis eines Angehörigen

Nachteile, welche der Mandant infolge einer fehlerhaften steuerlichen Beratung erleidet, werden nur dann durch die hiermit bewirkte Steuerersparnis eines Angehörigen oder eines sonstigen Dritten ausgeglichen, wenn dessen Interessen nach dem Beratungsvertrag in die Beratung einbezogen werden sollten.

BGH 5.2.2015, IX ZR 167/13
Der Sachverhalt:
Die Beklagte beauftragte den klagenden Steuerberater, sie bei der Übertragung ihres Betriebs, einer Friedhofsgärtnerei mit Blumenfachgeschäft, auf ihren Sohn steuerlich zu beraten. Im Januar 2007 übergab sie den Betrieb. Sie unterzeichnete einen auf den 15.1.2007 datierten, vom Kläger vorbereiteten Kaufvertrag, nach welchem ihr Sohn "sämtliche Aktiva und Passiva" des Betriebs übernahm. "Als Gegenleistung" hatte der Sohn eine lebenslange mtl. Rente von 2.500 € zu zahlen. Bei der Steuererklärung der Beklagten und ihres Ehemannes für 2007 legte der Kläger diesen Kaufvertrag vor und gab entsprechend dem negativen Kapitalkonto der Beklagten einen Veräußerungsgewinn von rd. 180.000 € an. Am 18.2.2009 rechnete er für die von ihm erbrachten Leistungen ein Honorar von rd. 1.650 € ab. Die Beklagte zahlte darauf einen Teilbetrag von rd. 44 €.

Die Beklagte beauftragte einen neuen Steuerberater. Entsprechend dessen Vorschlag wurden die mtl. Zahlungen auf 1.000 € herabgesetzt und als Arbeitslohn gezahlt. Der Steuerberater strich die Versorgungsregelung in der Vertragsurkunde und reichte die geänderte Fassung beim Finanzamt ein. Mit Bescheid vom 8.12.2009 wurden gegen die Beklagte und ihren Ehemann Einkommensteuer, Solidarzuschlag und Kirchensteuer i.H.v. insgesamt rd. 19.000 € festgesetzt. Der Bescheid wurde bestandskräftig, später allerdings noch mehrfach geändert. Nunmehr verlangt der Kläger Zahlung des restlichen Honorars i.H.v. rd. 1.600 €. Die Beklagte rechnete mit Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung auf und verlangte im Wege der Widerklage zunächst Zahlung von rd. 4.500 € nebst Zinsen, Freistellung von der Steuerschuld von noch rd. 14.000 € sowie Feststellung der Pflicht zur Freistellung von künftigen Säumniszuschlägen.

Das LG wies die Klage ab und verurteilte den Kläger auf die Widerklage hin unter Abweisung der weitergehenden Widerklage, an die Beklagte rd. 4.400 € nebst Zinsen zu zahlen und sie von ihrer aus der Veräußerung resultierenden Steuerschuld i.H.v. rd. 14.000 € freizustellen. Das OLG gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der Begründung des OLG kann ein der Beklagten entstandener Schaden nicht verneint werden.

Grundlage des von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten und hinsichtlich des überschießenden Teils im Wege der Widerklage geltend gemachten Anspruchs ist § 280 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrag. Hat der Kläger eine ihm aus diesem Vertrag obliegende Pflicht verletzt, kann die Beklagte nach der genannten Bestimmung Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen. Die Schadensberechnung richtet sich nach §§ 249 ff BGB. Der ggf. zu ersetzende Schaden ist durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen Vermögenslage zu ermitteln, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Dies erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Es geht bei dem Gesamtvermögensvergleich nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage.

Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs ist grundsätzlich das Vermögen des Geschädigten, nicht dasjenige Dritter. Grundsätzlich kann auf Grund eines Vertrages nur derjenige den Ersatz eines Schadens verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt. Soweit nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte oder der Drittschadensliquidation gegeben sind, hat der haftpflichtige Steuerberater nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen. Ebenso ist es ihm verwehrt, sich auf Vorteile zu berufen, die Dritte infolge der schädigenden Handlung erlangt haben mögen. Ausnahmen von diesem Grundsatz hat der BGH insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögenswerten an Familienangehörige zugelassen.

Gewerbetreibende sind oft bereit, Familienangehörige ohne gleichwertige Gegenleistung an ihrem Unternehmen zu beteiligen, insbesondere dann, wenn hiermit eine steuerliche Entlastung der Familie verbunden ist. In einer solchen Vermögensverschiebung kann jedenfalls dann kein Schaden im Rechtssinn, in ihrem Unterbleiben kein mit dem Steuerschaden verrechenbarer Vermögensvorteil gesehen werden, wenn sie - etwa im Interesse der Steuerersparnis - gewollt und gewünscht ist. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Eine konsolidierte Schadensberechnung hat dann, aber auch nur dann zu erfolgen, wenn die Einbeziehung der Vermögensinteressen des oder der jeweiligen Verwandten oder sonstigen Dritten nach dem Inhalt des Beratungsvertrages geschuldet war.

Die tatsächlichen Voraussetzungen einer schadensrechtlichen Gesamtbetrachtung hat das OLG nicht fehlerfrei festgestellt. Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt hatte die Beklagte den Kläger nicht damit beauftragt, die für sie und ihren Sohn gemeinsam günstigste Lösung zu ermitteln. Im Verfahren vor dem AG hatte sie zwar vorgetragen, ihre Familie wirtschafte gemeinsam; man unterstütze sich gegenseitig. Nach Abgabe der Sache an das LG hat sie - anwaltlich vertreten - je-doch behauptet, eine Beratung unter Berücksichtigung der steuerlichen Situation ihres Sohnes sei weder gewünscht noch geschuldet gewesen, und sich zum Beweis auf das Zeugnis ihres Sohnes berufen. Es kam damit auf den Inhalt des dem Kläger erteilten Auftrags an, zu dem die Parteien unterschiedlich vorgetragen haben. Das OLG hätte dem unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten hierzu nachkommen müssen.

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