Zum Auswahlermessen bei der Haftungsinanspruchnahme eines Gesellschafters für Steuerschulden der GbR
FG Münster v. 14.5.2020 - 5 K 256/18 U
Der Sachverhalt:
Die Klägerin und ihr Ehemann hatten in den Jahren 2011 und 2012 die E GbR betrieben, die im Bereich des Getränkehandels tätig war. Hauptkundin war die K-GmbH. Die E GbR übte ihre Tätigkeit in den Streitjahren in Räumlichkeiten am Wohnsitz der Eheleute aus. Alleineigentümerin des Objekts ist die Klägerin.
Das Finanzamt hat die Umsatzsteuer 2011 mit geändertem Umsatzsteuerbescheid vom 16.4.2015 gegenüber der E GbR i.H.v. 28.287 € bestandskräftig festgesetzt. Vorangegangen war dieser Festsetzung ein von der E GbR geführtes Klageverfahren, das in Anbetracht des während des Klageverfahrens erlassenen Änderungsbescheides in der Hauptsache für erledigt erklärt worden war. Der ursprünglich von der E GbR angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2011 (Steuerfestsetzung: 28.680 €) war der Klägerin einzeln bekanntgegeben worden.
Mit Umsatzsteuerbescheid vom 27.6.2013 hatte das Finanzamt die Umsatzsteuer 2012 i.H.v. 3.002 € festgesetzt und gegenüber einer Sozietät als Empfangsbevollmächtigte der E GbR bekanntgegeben. Den hiergegen eingelegten Einspruch hat die Behörde mit Einspruchsentscheidung vom 2.12.2013 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Klage hiergegen wurde nicht erhoben.
Mit Haftungsbescheid vom 18.4.2016 nahm das Finanzamt die Klägerin für offene Umsatzsteuerschulden der E GbR in Anspruch. Hiergegen wandte sich diese. Im Rahmen des Auswahlermessens sei der Grad des Verschuldens des einzelnen Haftungsschuldners wesentliches Kriterium. Die Klägerin habe nicht nach außen hin erkennbar für die E GbR gehandelt. Sie sei zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Hauptkunden, der Firma K GmbH, als Vertreterin der Gesellschaft aufgetreten und habe dort keinerlei Verträge unterzeichnet. Diese Aufgaben habe allein ihr Ehemann und Mitgesellschafter wahrgenommen.
Das FG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Es liegen keine Ermessensfehler i.S.v. § 102 FGO vor.
Gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Die Voraussetzungen der Haftungsvorschrift des § 128 HGB liegen vor. Nach BGH- und BFH-Rechtsprechung haften die Gesellschafter einer GbR für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 128 HGB den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Die Klägerin war auch Gesellschafterin der E GbR. Soweit sie die Auffassung vertritt, dass sie nicht nach außen erkennbar für die E GbR gehandelt habe, so ist dieser Umstand nicht entscheidungserheblich. Denn die Haftung nach § 128 HGB knüpft nicht an die Geschäftsführungstätigkeit, sondern an die Gesellschafterstellung an.
Das Finanzamt hat sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Es hat sein Ermessen erkannt und von seinem Entschließungsermessen Gebrauch gemacht. Im Rahmen des ihm zustehenden Auswahlermessens hat die Behörde in Anbetracht der Aussichtslosigkeit der Vollstreckung gegenüber der E GbR ermessensfehlerfrei entschieden, alle Gesellschafter für die Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen.
Haften mehrere Gesellschafter aufgrund desselben Haftungstatbestandes, so gibt es grundsätzlich keine Rangordnung für die vorrangige Inanspruchnahme eines Gesellschafters. Zwar darf die Finanzbehörde bei Inanspruchnahme nur einzelner Haftungsschuldner auch nach dem Grad des Verschuldens differenzieren. Eine Verpflichtung, nur denjenigen bzw. diejenigen Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, den bzw. denen der größte Verschuldensgrad zur Last gelegt werden kann, ergibt sich hieraus jedoch nicht. Dies gilt insbesondere im Streitfall, da die Haftung nach § 128 HGB - anders als die Geschäftsführerhaftung nach § 69 AO - eine verschuldensunabhängige Haftung darstellt.
FG Münster online
Die Klägerin und ihr Ehemann hatten in den Jahren 2011 und 2012 die E GbR betrieben, die im Bereich des Getränkehandels tätig war. Hauptkundin war die K-GmbH. Die E GbR übte ihre Tätigkeit in den Streitjahren in Räumlichkeiten am Wohnsitz der Eheleute aus. Alleineigentümerin des Objekts ist die Klägerin.
Das Finanzamt hat die Umsatzsteuer 2011 mit geändertem Umsatzsteuerbescheid vom 16.4.2015 gegenüber der E GbR i.H.v. 28.287 € bestandskräftig festgesetzt. Vorangegangen war dieser Festsetzung ein von der E GbR geführtes Klageverfahren, das in Anbetracht des während des Klageverfahrens erlassenen Änderungsbescheides in der Hauptsache für erledigt erklärt worden war. Der ursprünglich von der E GbR angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2011 (Steuerfestsetzung: 28.680 €) war der Klägerin einzeln bekanntgegeben worden.
Mit Umsatzsteuerbescheid vom 27.6.2013 hatte das Finanzamt die Umsatzsteuer 2012 i.H.v. 3.002 € festgesetzt und gegenüber einer Sozietät als Empfangsbevollmächtigte der E GbR bekanntgegeben. Den hiergegen eingelegten Einspruch hat die Behörde mit Einspruchsentscheidung vom 2.12.2013 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Klage hiergegen wurde nicht erhoben.
Mit Haftungsbescheid vom 18.4.2016 nahm das Finanzamt die Klägerin für offene Umsatzsteuerschulden der E GbR in Anspruch. Hiergegen wandte sich diese. Im Rahmen des Auswahlermessens sei der Grad des Verschuldens des einzelnen Haftungsschuldners wesentliches Kriterium. Die Klägerin habe nicht nach außen hin erkennbar für die E GbR gehandelt. Sie sei zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Hauptkunden, der Firma K GmbH, als Vertreterin der Gesellschaft aufgetreten und habe dort keinerlei Verträge unterzeichnet. Diese Aufgaben habe allein ihr Ehemann und Mitgesellschafter wahrgenommen.
Das FG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Es liegen keine Ermessensfehler i.S.v. § 102 FGO vor.
Gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Die Voraussetzungen der Haftungsvorschrift des § 128 HGB liegen vor. Nach BGH- und BFH-Rechtsprechung haften die Gesellschafter einer GbR für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 128 HGB den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Die Klägerin war auch Gesellschafterin der E GbR. Soweit sie die Auffassung vertritt, dass sie nicht nach außen erkennbar für die E GbR gehandelt habe, so ist dieser Umstand nicht entscheidungserheblich. Denn die Haftung nach § 128 HGB knüpft nicht an die Geschäftsführungstätigkeit, sondern an die Gesellschafterstellung an.
Das Finanzamt hat sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Es hat sein Ermessen erkannt und von seinem Entschließungsermessen Gebrauch gemacht. Im Rahmen des ihm zustehenden Auswahlermessens hat die Behörde in Anbetracht der Aussichtslosigkeit der Vollstreckung gegenüber der E GbR ermessensfehlerfrei entschieden, alle Gesellschafter für die Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen.
Haften mehrere Gesellschafter aufgrund desselben Haftungstatbestandes, so gibt es grundsätzlich keine Rangordnung für die vorrangige Inanspruchnahme eines Gesellschafters. Zwar darf die Finanzbehörde bei Inanspruchnahme nur einzelner Haftungsschuldner auch nach dem Grad des Verschuldens differenzieren. Eine Verpflichtung, nur denjenigen bzw. diejenigen Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, den bzw. denen der größte Verschuldensgrad zur Last gelegt werden kann, ergibt sich hieraus jedoch nicht. Dies gilt insbesondere im Streitfall, da die Haftung nach § 128 HGB - anders als die Geschäftsführerhaftung nach § 69 AO - eine verschuldensunabhängige Haftung darstellt.