Zum Beginn der Festsetzungsverjährung bei mittelbarer Schenkung
BFH 8.3.2017, II R 2/15Der Ehemann der Klägerin war an der A-KG neben weiteren Kommanditisten zunächst mit einer Kommanditbeteiligung von 250.000 DM beteiligt. Im Dezember 2000 übertrug E einen Kommanditanteil von 125.000 DM unentgeltlich auf die Klägerin. Im notariellen Vertrag behielt sich E das Recht vor, die Rückübertragung des Kommanditanteils auf sich u.a. dann zu verlangen, wenn die Klägerin ohne seine Zustimmung über den Kommanditanteil verfügt, ihn etwa veräußert oder belastet. Aufschiebend bedingt durch die Ausübung des Rückübertragungsrechts trat die Klägerin bereits bei Vertragsschluss ihren Kommanditanteil an E ab. Außerdem verpflichtete sie sich, im Falle einer entgeltlichen Veräußerung des Kommanditanteils durch E an andere Personen als Abkömmlinge ihren Kommanditanteil zu den gleichen Bedingungen an denselben Erwerber zu veräußern.
Mit in der Schweiz notariell beurkundetem Anteilskaufvertrag ebenfalls von Dezember 2000 verkauften die Klägerin, E und die weiteren Kommanditisten (Verkäufer) sowie die Komplementärin der A-KG ihre Anteile. Der Kaufpreis betrug insgesamt rd. 34 Mio. DM. Im Vertrag hatte sich E zur Durchführung folgender Restrukturierungsmaßnahme vor Übergang der Anteile verpflichtet: E überträgt noch im Jahr 2000 die Hälfte seines Kommanditanteils an der A-KG auf die Klägerin, die somit als Kommanditistin mit einem Anteil i.H.v. 125.000 DM in die Gesellschaft eintritt. Der Kaufpreis war unter bestimmten Voraussetzungen anzupassen.
Mit Änderungsvertrag wurde der Anteilskaufvertrag von Dezember 2000 im Juni 2001 u.a. dahingehend geändert, dass der Kaufpreis für die Anteile auf rd. 28 Mio. DM festgelegt wurde. Vom Gesamtkaufpreis, der im Juni 2001 an die Verkäufer überwiesen wurde, entfiel auf die Klägerin nach Abzug der Veräußerungsnebenkosten ein Betrag i.H.v. rd. 6,5 Mio. DM. Dem Finanzamt wurde nur eine Abschrift des Schenkungsvertrags zwischen E und der Klägerin übermittelt. In der Schenkungsteuererklärung der Klägerin von November 2001 war der Wert des Kommanditanteils mit rd. 220.000 DM angegeben. Das Finanzamt setzte zunächst keine Schenkungsteuer fest. Nachdem es jedoch Kenntnis vom Abschluss und Inhalt des Anteilskaufvertrags von Dezember 2000 sowie der Änderung im Juni 2001 erhielt, setzte es gegen die Klägerin Schenkungsteuer i.H.v. rd. 800.000 DM fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zutreffend erkannt, dass Gegenstand der Schenkung nicht der von E auf die Klägerin übertragene Kommanditanteil, sondern der Erlös aus der Weiterveräußerung dieses Anteils war (mittelbare Geldschenkung), und dass die Festsetzung der Schenkungsteuer innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgte
Der steuerpflichtige Erwerb bestimmt sich gem. § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG nach der Bereicherung des Erwerbers und knüpft die Wertermittlung über § 9 Abs. 1 Nr. 2 und § 12 ErbStG an den Gegenstand an, über den der Beschenkte endgültig verfügen kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht. Danach muss ggf. in der Hingabe von Vermögensgegenständen mittelbar die Schenkung eines anderen Vermögensgegenstands gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm unmittelbar Zugewendete, sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um das unmittelbar Hingegebene, sondern erst um den Verkaufserlös bereichert.
Dies gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern grundsätzlich bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekt in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte. Unter diesen Voraussetzungen kann in der Hingabe von Gesellschaftsanteilen die mittelbare Schenkung des Erlöses aus einem späteren Weiterverkauf der Gesellschaftsanteile liegen. Dies ist dann der Fall, wenn der Erwerber der Anteile im Verhältnis zum Schenker nur über den Verkaufserlös, nicht aber über die Anteile frei verfügen darf, sondern sich insoweit den Verfügungen des Schenkers unterzuordnen hat.
Der Änderungsbescheid von September 2008, in dem das Finanzamt erstmals eine mittelbare Geldschenkung besteuerte, ist innerhalb der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO ergangen. Die Klägerin war gegenüber E nicht berechtigt, über den auf sie übertragenen Kommanditanteil an der A-KG frei zu verfügen. E hatte sich im notariell beurkundeten Übertragungsvertrag von Dezember 2000 ein Rückübertragungsrecht des Kommanditanteils für den Fall vorbehalten, dass die Klägerin ohne seine Zustimmung über den Kommanditanteil durch Veräußerung oder Belastung verfügt. Des Weiteren war die Klägerin verpflichtet, im Falle einer entgeltlichen Veräußerung des Kommanditanteils durch E ihren Kommanditanteil zu den gleichen Bedingungen an denselben Erwerber zu veräußern. Diese Regelungen ermöglichten E, das Geschehen bzgl. des Kommanditanteils der Klägerin zu beherrschen.
Die Klägerin musste sich den Verfügungen des E über die Anteile unterordnen und hat dies auch getan. Im Rahmen des Anteilskaufvertrags ebenfalls von Dezember 2000 veräußerte sie ihren Kommanditanteil an der A-KG zu den gleichen Bedingungen wie E. Damit konnte sie erst über den Veräußerungserlös verfügen. Die Anteilsveräußerung stellt eine rechtserhebliche Tatsache dar, von der das Finanzamt erst im Jahr 2007 und damit nach dem Erlass der Nichtfestsetzungsmitteilung von März 2002 Kenntnis erlangte. Daher konnte es die Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern. Für den Änderungsbescheid von September 2008 war die vierjährige Festsetzungsfrist wegen der nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO eingetretenen Anlaufhemmung noch nicht abgelaufen.
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