06.10.2020

Zum einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung aufgrund eines Beitreibungsersuchens eines anderen EU-Mitgliedstaates

Dass der einheitliche Vollstreckungstitel dem Schuldner gesondert zuzustellen ist, ist im EUBeitrG nicht vorgesehen. Eine solche Zustellung braucht weder vom Ursprungsstaat nachgewiesen zu werden, noch handelt es sich um eine Verfahrensvoraussetzung, die vom Vollstreckungsstaat wahrzunehmen wäre.

FG Münster v. 3.9.2020 - 11 V 1665/20 AO
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller wendet sich im hiesigen, auf Aussetzung der Vollziehung gerichteten Verfahren gegen eine aufgrund eines Beitreibungsersuchens des luxemburgischen Staates vom Antragsgegner erlassene Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 5.6.2020. Der Antragsteller war vom Finanzamt Direction des Contributions Bureau de recette Luxembourg im Wege des Ersuchens um Beitreibung und/oder Sicherungsmaßnahmen nach dem Beitreibungsgesetz der EU aufgefordert worden, aus Haftungsbescheiden zu vollstrecken. Das Amtshilfeersuchen beruht auf dem EUBeitrG sowie der diesem Gesetz zu Grunde liegenden Richtlinie 2010/24/EU.

Der Antragsgegner stellte dem Antragsteller zunächst eine Zahlungsaufforderung vom 2.9.2019 zu. Das FG wies den hiergegen gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab (Az.: 11 V 2824/19 AO). Am 22.10.2019 erließ der Antragsgegner daraufhin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung für die Beitreibungsforderung gegenüber der kontoführenden Bank des Antragstellers. In dem unter dem Az. 11 V 3213/19 AO geführten Verfahren hob das FG durch Beschluss vom 21.1.2020 die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung über den als Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf. Durch Verfügung vom 3.2.2020 hob der Antragsgegner daraufhin die Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf.

In der Folge ergänzten die luxemburgischen Behörden das Vollstreckungsersuchen gegenüber dem Antragsgegner auf dessen Anfrage dahingehend, dass sie um eine Fortführung der Beitreibung baten, da in Bezug auf die Anfechtung (des Haftungsbescheides) zuungunsten des Schuldners am 09.08.2018 entschieden worden sei. Der Antragsgegner stellte dem Antragsteller daraufhin erneut eine Zahlungsaufforderung vom 17.4.2020. Am 5.6.2020 erließ der Antragsgegner daraufhin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der kontoführenden Bank des Antragstellers. Der Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, war außerdem eine Rückstandsaufstellung beigefügt.

Daraufhin hat der Antragsteller durch Schriftsatz vom 12.6.2020 den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung gestellt und - ohne zuvor Einspruch beim Antragsgegner eingelegt zu haben - Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung erhoben. Das FG hat den Antrag allerdings abgelehnt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde zugelassen.

Die Gründe:
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 5.6.2020.

Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers liegen im vorliegenden Fall die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor; dabei kommt dem Vortrag des Antragstellers, ein vollstreckbarer Titel der luxemburgischen Steuerbehörden sei zu keinem Zeitpunkt zugegangen, keine entscheidende Bedeutung zu, da alleinige Grundlage der Vollstreckung im vorliegenden Fall der einheitliche Vollstreckungstitel ist. Wie sich aus § 9 Absatz 1 Satz 1 und 2 EUBeitrG ergibt, werden Forderungen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht, wie eine inländische Forderung vollstreckt. Dass der einheitliche Vollstreckungstitel dem Schuldner gesondert zuzustellen ist, ist im EUBeitrG nicht vorgesehen. Eine solche Zustellung braucht weder vom Ursprungsstaat nachgewiesen zu werden, noch handelt es sich um eine Verfahrensvoraussetzung, die vom Vollstreckungsstaat wahrzunehmen wäre.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers können im Rahmen des im Vollstreckungsstaat - hier der Bundesrepublik Deutschland - geführten Vollstreckungsverfahrens auch keine Einwendungen gegen den titulierten Anspruch selbst - vorliegend also die Haftungsinanspruchnahme für Lohnsteuerverbindlichkeiten der KG geltend gemacht werden: Wie sich aus § 13 Absatz 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt, dürfen im Vollstreckungsstaat weder die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel in der Sache selbst nachgeprüft werden. Die Überprüfung erfolgt durch den Ursprungsstaat und richtet sich sowohl nach dessen Verfahrensrecht als auch nach dessen materiellem Recht. Dementsprechend enthält § 13 Absatz 2 Satz 2 EUBeitrG nur die Möglichkeit, die Vollstreckung für den Zeitraum auszusetzen, in dem der Schuldner im Ursprungsstaat gegen den Vollstreckungstitel als solchen oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel vorgeht.

Der Pfändungs- und Einziehungsverfügung stehen nach summarischer Prüfung auch keine Ablehnungsgründe i.S.v. § 14 EUBeitrG entgegen. Danach wird die in den §§ 9 bis 13 EUBeitrG vorgesehene Amtshilfe nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig wäre oder die Forderungen insgesamt weniger als 1.500 Euro betragen; die in den §§ 5 bis 13, 17 und 18 EUBeitrG vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn 1. sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als fünf Jahre waren oder 2. die Forderungen älter als zehn Jahre sind, wobei die Frist ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit gerechnet wird (Abs. 2).
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