10.10.2011

Zum entgeltlichen Erwerb "gebrauchter" Lebensversicherungen

Der vom Erwerber einer "gebrauchten" Kapitallebensversicherung gezahlte Kaufpreis stellt Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB dar. Die bis zum Erwerbszeitpunkt aufgelaufenen außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen sind weder negative Einnahmen aus Kapitalvermögen noch vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

BFH 24.5.2011, VIII R 46/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GbR, die im Jahr 2005 von zwei Steuerberatern zum Erwerb einer "gebrauchten" Lebensversicherung aus dem Jahr 1985 gegründet worden war. Danach erwarb die Klägerin für 30.000 € von D. die Rechte und Pflichten aus einer von diesem abgeschlossenen Kapitallebensversicherung. Ablaufdatum war der 30.11.2017. Die Versicherungssumme betrug rund 48.929 €, der Rückkaufswert belief bis dato auf 28.023 €. Die Versicherungsgesellschaft ermittelte die rechnungsmäßigen Zinsen mit 4.311 € und die außerrechnungsmäßigen Zinsen mit 9.139 €. Die Abtretung war versicherungsvertraglich zulässig und erfolgte im Einvernehmen mit der Versicherungsgesellschaft.

In der Folgezeit stritt die Klägerin mit dem Finanzamt darüber, ob der beim Erwerb einer "gebrauchten" Lebensversicherung bislang aufgelaufene Zinsanteil im Veranlagungszeitraum des Erwerbs als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen oder Werbungskosten zu berücksichtigen ist. Die Finanzbehörde lehnte eine Anerkennung ab. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die bis dato aufgelaufenen Zinsanteile waren weder als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, sondern als Teil der Anschaffungskosten zu beurteilen.

Der vom Erwerber einer "gebrauchten" Kapitallebensversicherung gezahlte Kaufpreis stellt Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB dar. Diese Beurteilung folgt daraus, dass - abweichend von den Gewinneinkünften - im Rahmen der Überschusseinkünfte sowohl positive als auch negative Wertveränderungen außer Betracht bleiben und dieser die Einkunftsermittlung systematisch tragende Grundsatz nur im Rahmen der allgemeinen Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sowie nach Maßgabe der Sonderregelungen in den §§ 17, 23 EStG und in § 21 UmwStG 2002 durchbrochen wird. Dies hat zur Folge, dass Aufwendungen, die - wie etwa die Anschaffungskosten oder Anschaffungsnebenkosten einer Kapitalanlage, d.h. Aufwendungen für den Erwerb eines nicht abnutzbaren Wirtschaftsguts - die Vermögenssphäre betreffen, nicht als Werbungskosten gem. § 9 EStG berücksichtigt werden können.

Infolgedessen stellten die von der Klägerin gezahlten 30.000 € Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 S. 2 HGB, nicht aber Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG dar. Dass sich der Kaufpreis rein rechnerisch aufteilen ließ in bis dahin aufgelaufene rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen sowie einen auf das Versicherungsstammrecht entfallenden Betrag, änderte an dieser Beurteilung nichts, denn letztlich handelte es sich um einen einheitlichen Kaufvertrag, der es dem Erwerber ermöglichen sollte, ab einem im Vertrag festgelegten Stichtag die Ansprüche des Veräußerers einschließlich der bis dahin aufgelaufenen Zinsen zu erlangen. Die bis zum Erwerbszeitpunkt aufgelaufenen außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen waren weder negative Einnahmen aus Kapitalvermögen noch vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

Eine analoge Anwendung der ab 1.1.2009 neu gefassten Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 3 EStG n.F. kam nicht in Betracht. Danach treten bei entgeltlichem Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungsleistung die Anschaffungskosten an die Stelle der vor dem Erwerb entrichteten Beiträge, so dass gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG n.F. nur der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und den Anschaffungskosten zu versteuern ist. Nach § 52 Abs. 36 S. 7 EStG findet § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG n.F. nur Anwendung auf Versicherungsleistungen im Erlebensfall bei Versicherungsverträgen, die - anders als hier - nach dem 31.12.2004 abgeschlossen wurden. Dies gilt entsprechend für § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 3 EStG n.F. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die Anlass für eine Analogie sein könnte, lag demnach nicht vor. Das galt umso mehr, als der Gesetzgeber in der Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 3 EStG n.F. ausdrücklich von Anschaffungskosten und nicht von Werbungskosten oder negativen Einnahmen spricht.

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