10.06.2011

Zum Erlass eines Berichtigungsbescheids in verjährter Zeit

Berichtigungsbescheide nach § 129 AO, durch die ein in verjährter Zeit ergangener, unter einer offenbaren Unrichtigkeit leidender Gewerbesteuermessbescheid korrigiert werden soll, können jedenfalls dann nicht mehr erlassen werden, wenn seit Bekanntgabe des fehlerhaften Bescheids ein Jahr vergangen ist. Eine Änderung einander widersprechender Steuerfestsetzungen, die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, ist nur dann möglich, wenn der Steuerpflichtige selbst, allein oder überwiegend, die unzutreffende mehrfache Berücksichtigung des Sachverhalts verursacht hat.

BFH 3.3.2011, III R 45/08
Der Sachverhalt:
Der Kläger war Inhaber eines Maschinenbetriebs A und eines Großhandelsbetriebs B. Für beide Betriebe waren unterschiedliche Steuernummern vergeben. Während eines Rechtsstreites im Juli 2003 vor dem FG, in dem es um die Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrages 1990 für den Betrieb B ging, stimmten Kläger und Finanzamt einer tatsächliche Verständigung und einer Erledigung der Hauptsache zu. Aufgrund dessen wäre der Messbetrag für B zu mindern gewesen. Allerdings verwechselte das Finanzamt im geänderten Gewerbesteuermessbescheid 1990 vom 26.8.2003 die beiden Betriebe des Klägers. Es verminderte die Besteuerungsgrundlagen für den Betrieb A und vermerkte dessen Steuernummer. Der Bescheid ging im September 2003 dem Klägervertreter zu. Dieser erklärte mit Schreiben vom 16.9.2003 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Als das Finanzamt im Jahr 2005 die Verwechslung bemerkte, erließ es am 29.4.2005 einen nach § 129 AO berichtigten Bescheid, durch den der Gewebesteuermessbetrag 1990 für den Betrieb A wieder auf den ursprünglichen Betrag heraufgesetzt wurde. Außerdem erließ es für den Betrieb B einen geänderten Bescheid und verminderte den Messbetrag.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es war der Ansicht, der Kläger sei verpflichtet gewesen, an der Umsetzung der tatsächlichen Verständigung vom Juli 2003 mitzuwirken. Obwohl dem Klägervertreter die Fehlerhaftigkeit des Bescheids aufgefallen sei, habe er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Hätte er den Messbescheid für den Betrieb A unmittelbar nach dessen Zugang beanstandet, wäre der Fehler korrigiert worden und es wäre nicht zu der Steuerminderung für beide Einzelfirmen gekommen.

Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Bescheid vom 29.4.2005 war aufzuheben.

Die Festsetzungsfrist für einen den Betrieb A betreffenden Gewerbesteuermessbescheid 1990 war spätestens im Jahr 1998 abgelaufen. Trotz Verjährung erließ das Finanzamt aber aufgrund einer Verwechslung für den Betrieb A den Bescheid vom 26.8.2003, der zwar rechtswidrig, aber rechtlich existent und nicht etwa nichtig i.S.v. § 125 AO war. Eine Möglichkeit, den Bescheid nach § 129 AO zu berichtigen, bestand nicht.

Zwar hat der Senat mit Urteil vom 14.6.1991 (Az.: III R 64/89) entschieden, dass ein Berichtigungsbescheid nach § 129 AO i.V.m. § 171 Abs. 2 AO auch dann noch erlassen werden kann, wenn der zu berichtigende Bescheid erst nach Ablauf der Festsetzungsverjährung ergangen ist. Allerdings kann ein Berichtigungsbescheid nach § 129 AO, durch den ein in verjährter Zeit ergangener, unter einer offenbaren Unrichtigkeit leidender Gewerbesteuermessbescheid korrigiert werden soll, jedenfalls dann nicht mehr erlassen werden, wenn seit Bekanntgabe des fehlerhaften Bescheids ein Jahr vergangen ist (§ 171 Abs. 2 AO). Ist die Festsetzungsfrist für einen Aufhebungsbescheid bereits abgelaufen, so scheidet auch eine Korrektur nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO mit Zustimmung des Steuerpflichtigen aus.

Letztlich lagen auch nicht die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 174 AO vor. Eine Änderung einander widersprechender Steuerfestsetzungen, die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken (§ 174 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AO), ist nämlich nur möglich, wenn der Steuerpflichtige selbst, allein oder überwiegend, die unzutreffende mehrfache Berücksichtigung des Sachverhalts verursacht hat. Dies war hier zu verneinen. Der Erlass des fehlerhaften Bescheids vom 26.8.2003 für den Betrieb A war nicht auf einen Antrag oder eine Erklärung des Klägers zurückzuführen, sondern beruhte auf einem Versehen des Finanzamts.

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