Zum groben Verschulden des Steuerpflichtigen bei Verwendung des elektronischen ElsterFormulars
BFH 20.3.2013, VI R 9/12 u.a.Der BFH hat in zwei ähnlich gelagerten Fällen entschieden, in denen streitig war, ob Unterhaltsleistungen, die bei einer in elektronischer Form abgegebenen Einkommensteuererklärung (ELSTER) versehentlich nicht erklärt wurden, im bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid noch nachträglich berücksichtigt werden können.
Im Verfahren VI R 5/11 hatte der Kläger gegenüber dem Finanzamt behauptet, er habe die Unterhaltszahlungen an seine Lebensgefährtin aus Unerfahrenheit nicht erklärt. Der Fehler sei ihm auch nach nochmaliger Durchsicht des Ausdrucks nicht aufgefallen. Denn beim ELSTER-Verfahren enthalte der abschließende Erklärungsausdruck nur die Felder, in denen auch Eintragungen vorgenommen worden seien. Letztlich habe die Unübersichtlichkeit des ElsterFormulars im Vergleich zur Steuererklärung in Papierform und die fehlende Routine im Umgang mit dem ElsterFormular die Entdeckung des Fehlers verhindert, der allenfalls auf leichter Fahrlässigkeit beruhe.
Im Verfahren VI R 9/12, in dem der Kläger ebenfalls keine Unterhaltsleistungen an seine Lebensgefährtin in der per ELSTER eingereichten Einkommensteuererklärung eingetragen hatte, enthielt das verwendete ElsterFormular in Zeile 102 die Angabe "Unterhalt für bedürftige Personen" und verwies ohne weitere Erläuterungen auf die Anlage Unterhalt. Der Hilfstext zur Anlage Unterhalt führte die gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen beispielhaft auf ("z.B. Eltern, Großeltern und Kinder"), nannte dort aber nicht die Mutter eines gemeinsamen Kindes als mögliche Unterhaltsberechtigte. Im ElsterFormular fand sich das erst am Ende der Anlage Unterhalt.
Im ersten Verfahren wies das FG die Klage ab. Die Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.
Im zweiten Verfahren gab das FG der Klage statt. Hier blieb die Revision des Finanzamtes vor dem BFH ohne Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hatte im Verfahren VI R 5/11 zu Recht entschieden, dass der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid wegen eines den Kläger treffenden groben Verschuldens nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern war.
Von einem groben Verschulden ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er eine unvollständige Steuererklärung abgibt. Es entspricht allerdings ständiger BFH-Rechtsprechung, dass kein grobes Verschulden vorliegt, wenn die unvollständige Steuererklärung auf einem subjektiv entschuldbaren Rechtsirrtum beruht. Aber auch der Steuerpflichtige, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, muss im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen beantworten und dem Steuererklärungsformular beigefügte Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen und beachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind.
Infolgedessen hatte das FG im Verfahren VI R 5/11 zu Recht das grobe Verschulden insbesondere darin gesehen, dass der Kläger die mit "Unterhalt für bedürftige Personen" überschriebene Zeile 102 unbeantwortet ließ und er nicht nur die in der Anleitung zur Einkommensteuererklärung aufgeführten zwei auf ihn zutreffenden Sachverhalte, sondern auch den dort angeführten Hinweis nicht beachtete, dass eine Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter eines gemeinsamen Kindes bestehen kann. Es hatte zudem festgestellt, dass die Angaben auch in dem vom Kläger verwendeten elektronischen ElsterFormular der Finanzverwaltung enthalten waren. Auch für diese Hinweise gilt nämlich - nicht anders als für solche in Papierform -, dass es regelmäßig grob fahrlässig ist, diese unbeachtet zu lassen, sofern sie ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind.
Dieser Streitfall unterschied sich von dem Verfahren VI R 9/12, in dem aufscheinende Hilfstexte die Sachverhalte nur unvollständig erläuterten und den Steuerpflichtigen angesichts unübersichtlicher Vordruckgestaltungen gerade nicht dazu veranlassten, zur Verfügung gestellte weitere Anlagen zu verwenden. Wenn das FG in diesem Verfahren angesichts dessen zu der Würdigung gelangt war, dass sich dem Kläger aufgrund der unübersichtlichen Vordruckgestaltung nicht hätte aufdrängen müssen, dass auch Unterhaltsleistungen an seine mit ihm nicht verwandte und nicht verheiratete Lebensgefährtin hätten eingetragen werden müssen, konnte dies revisionsrechtlich ebenso wenig beanstandet werden wie die daran anknüpfende Würdigung, dass dem Kläger deshalb kein grobes Verschulden vorgeworfen werden konnte.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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