Zum Konkurrenzverhältnis mehrerer Steuerbefreiungen für den Vorsteuerabzug
BFH 22.8.2013, V R 30/12Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH. Sie hatte in den Streitjahren 2001 und 2002 Blutplasma in das übrige Gemeinschaftsgebiet geliefert. Das Finanzamt hob im Anschluss an eine Außenprüfung den Vorbehalt der Nachprüfung für beide Streitjahre auf. Hiergegen wandte sich die Klägerin und machte erstmals geltend, dass ihr - entgegen der bisherigen Beurteilung - der Vorsteuerabzug nach § 15 UStG 1999 für die Lieferung von Blutplasma in das übrige Gemeinschaftsgebiet zustehe.
Infolgedessen ging das Finanzamt davon aus, dass es sich bei den Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet um Reihengeschäfte gehandelt habe, in deren Rahmen die Lieferungen der Klägerin als nicht nach § 6a UStG steuerfrei anzusehen seien. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Die Klägerin war für die Lieferung von Blutplasma in das Ausland nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen, deren Lieferung im Inland ohne Recht zum Vorsteuerabzug steuerfrei wäre, berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug. Maßgeblich ist hierfür die EuGH-Entscheidung "Eurodental" vom 7.12. 2006 (C-240/05), wonach, wenn die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen ein Recht auf Vorsteuerabzug im Abgangsmitgliedstaat eröffnen würde, obwohl die Inlandslieferung dieses Gegenstandes steuerfrei ist, derartige Gegenstände in der Gemeinschaft unter vollständiger Befreiung von der Mehrwertsteuer geliefert werden könnten, da im Hinblick auf die Steuerfreiheit der Inlandslieferung auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat gemäß Art. 28c Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (im Inland: § 4b Nrn. 1 und 2 UStG) steuerfrei wäre. Infolgedessen würde ein Vorsteuerabzug ohne Besteuerung auf der folgenden Stufe erfolgen.
Nach der Zielsetzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und der durch die Richtlinie 77/388/EWG eingeführten Regelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten kann aber "ein Steuerpflichtiger, dem eine Steuerbefreiung zu Gute kommt und der folglich nicht zum Abzug der innerhalb eines Mitgliedstaats gezahlten Vorsteuer berechtigt ist, dieses Recht auch dann nicht haben, wenn der betreffende Umsatz innergemeinschaftlichen Charakter hat", so dass es unter "diesen Umständen ... der Systematik der Sechsten Richtlinie [entspricht], dass der Regelung, die auf die spezifischen Steuerbefreiungen des Art. 13 Teil A dieser Richtlinie anwendbar ist, Vorrang vor derjenigen zuerkannt wird, die auf die von der Richtlinie vorgesehenen allgemeinen Steuerbefreiungen betreffend innergemeinschaftliche Umsätze anwendbar ist".
Dieses Spezialitätsverhältnis ist auch bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung von § 15 Abs. 3 UStG zu beachten, da der Wortlaut dieser Vorschrift dem nicht entgegensteht. Ohne Bedeutung war daher, dass sich im vorliegenden Fall die Steuerfreiheit des Inlandsumsatzes zwar nicht aus Art. 13 Teil A Abs. 1e der Richtlinie 77/388/EWG, aber aus Buchst. d dieser Bestimmung als unionsrechtlicher Grundlage von § 4 Nr. 17a UStG ergibt. Somit hatte das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Offenbleiben konnte, ob dies auch für den Fall der Ausfuhrlieferung gilt.
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