06.07.2023

Zum sachlichen Anwendungsbereich des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG

1. Das Verlustverrechnungsverbot bei steuerlicher Rückwirkung einer Umwandlung (§ 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG) ist auch in Einbringungsfällen anzuwenden, in denen eine steuergestalterische Missbrauchsabsicht nicht vorliegt. Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht begründet.
2. Die Regelung gilt auch für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer.
3. § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG ist nicht derart teleologisch zu reduzieren, dass die (negativen) Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers ohne Berücksichtigung eines im Veranlagungsjahr der Übernahme von ihm beantragten Investitionsabzugsbetrags (§ 7g EStG) zu bestimmen wären.

Kurzbesprechung
BFH v. 12.4.2023 - I R 48/20

UmwStG 2006 § 2 Abs. 1 Satz 2, § 2 Abs. 4 Satz 3, § 20 Abs. 6 Satz 2, § 20 Abs. 6 Satz 4
GG Art. 3 Abs. 1
EStG § 7g
GewStG § 7 Satz 1
AO § 162 Abs. 1


Nach § 20 Abs. 6 Satz 3 UmwStG darf in anderen als den in Satz 1 und 2 genannten Fällen der Sacheinlage eine ‑ im Streitfall unstreitig vorliegende ‑ Einbringung auf einen Tag zurückbezogen werden, der höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrags liegt und höchstens acht Monate vor dem Zeitpunkt liegt, an dem das eingebrachte Betriebsvermögen auf die übernehmende Gesellschaft übergeht. § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG stellt in diesem Zusammenhang klar, dass § 2 Abs. 3 und 4 UmwStG entsprechend gilt. Damit ist der Ausgleich oder die Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden Verlustvorträgen, nicht ausgeglichenen negativen Einkünften und einem Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG des übernehmenden Rechtsträgers nicht zulässig (§ 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG). Diese Regelung ist, was aus dem eindeutigen Normwortlaut folgt, unabhängig von einer steuergestalterischen Missbrauchsabsicht bei der Einbringung anzuwenden.

Der mit der Norm verfolgte Zweck kann aus der Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrats für ein Jahressteuergesetz 2013 vom 10.4.2013 entnommen werden, obwohl dieser Entwurf nicht Gesetz geworden ist. Erstmals der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 vom 12.12.2012 (BTDrucks 17/11844 vom 13.12.2012) enthielt die im Streitfall maßgebliche Änderung des § 2 Abs. 4 UmwStG. Zwar wurde dieser Vorschlag vom Bundestag nicht angenommen, aber er wurde später auf Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 27.2.2013 (BTDrucks 17/12532) in den bereits vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zum Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (vom 19.2.2013) aufgenommen. In der später auch angenommenen Beschlussempfehlung wird dazu ausgeführt, im angesprochenen Vermittlungsverfahren seien Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung einvernehmlich ergänzt worden, und es werden unter anderem "Maßnahmen gegen die Monetarisierung von Verlusten (§ 2 Abs. 4 UmwStG)" erwähnt.

Der Bundesrat hatte nur wenige Tage später (am 1.3.2013) einen erneuten Gesetzentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 (s. BTDrucks 17/13033 vom 10.4.2013) in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, der die im Streitfall relevante Änderung des § 2 Abs. 4 UmwStG ebenfalls, allerdings mit detaillierter Begründung, enthielt. Darin wird darauf hingewiesen, dass bei Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf eine Verlustgesellschaft ein steuerlicher Verlustvortrag der Verlustgesellschaft (= der übernehmende Rechtsträger) nicht untergehe, aber Gestaltungen bekannt geworden seien, die die achtmonatige steuerliche Rückwirkung mit dem Ziel ausnutzten, die Besteuerung von Gewinnen bei Gesellschaften mit hohen stillen Reserven durch die Verrechnung mit steuerlichen Verlusten einer anderen Gesellschaft zu vermeiden. Weiter heißt es, um solche Gestaltungen und die damit verbundenen massiven Steuerausfälle zu vermeiden, werde beim übernehmenden Rechtsträger eine Verrechnung seiner Verluste mit positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers steuerlich nicht mehr zugelassen. Der übernehmende Rechtsträger habe die ihm zuzurechnenden positiven Einkünfte zu versteuern.

Der BFH entschied, dass das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung nicht Tatbestandsmerkmal des neu eingeführten § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG geworden ist. Die Norm findet nach ihrem eindeutigen Wortlaut vielmehr auch dann Anwendung, wenn ‑ wie im Streitfall ‑ eine derartige Gestaltung nicht vorliegt.

Es bestehen nach Auffassung des BFH auch keine Zweifel, dass § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG angesichts der Tatsache, dass die Begründung des Gesetzentwurfs allgemein auf die Möglichkeit einer achtmonatigen Rückwirkung "bei der Umwandlung oder Einbringung" spricht, auch in solchen Umwandlungsvorgängen zur Anwendung kommt, bei denen der übernehmende Rechtsträger erst ‑ wie im Streitfall ‑ durch die Umwandlung geschaffen wird.

Gegen § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil der mit der Norm verbundene Eingriff in das Leistungsfähigkeitsprinzip dadurch gerechtfertigt ist, dass die Normanwendung nicht zu einem endgültigen Wegfall der Verlustnutzung führt, sondern nur zu einer Verlagerung der Verlustverrechnung in die Zukunft. Hinzu kommt, dass sich die durch das Umwandlungssteuergesetz bewirkte Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips als aus wirtschaftspolitischen Gründen gewährte Steuervergünstigung darstellt und der Gesetzgeber insoweit nach allgemeiner Ansicht einen weiten Spielraum hat, ob und unter welchen Voraussetzungen er die Vergünstigung einräumt.

Der sachliche Anwendungsbereich des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG erstreckt sich jedoch auch auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Zwar ist zutreffend, dass § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG von "positiven Einkünften", "negativen Einkünften" und "verbleibenden Verlustvorträgen" spricht, während in § 10a GewStG die Begriffe "Gewerbeertrag", "Gewerbeverlust" und "vortragsfähiger Fehlbetrag" verwendet werden. Allerdings lässt sich der laufende Gewerbeverlust sprachlich ohne Weiteres als Unterform der "negativen Einkünfte" verstehen. Vor allem ergibt sich die Anwendung der Regelung für die Gewerbesteuer aus einer systematischen Auslegung unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwStG, der für den Fall einer Rückwirkung insgesamt sicherstellen soll, dass die körperschaft- und gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlagen übereinstimmen. Da die betroffenen Verluste im Übrigen umwandlungssteuerrechtlich auf Ebene der Gewinnermittlung zu berücksichtigen sind, werden sie zudem über die in § 7 Satz 1 GewStG geregelte Anwendung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes erfasst.

Die (negativen) Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers sind für die Anwendung von § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG nicht ohne Berücksichtigung eines im Veranlagungsjahr der Übernahme von ihm beantragten Investitionsabzugsbetrags (§ 7g EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG) zu bestimmen. Der Normwortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG lässt für eine derartige teleologische Reduktion keinen Raum, denn darin wird die Verlustverrechnung uneingeschränkt versagt.

Der Rückwirkungszeitraum beginnt mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags und endet erst mit dem Ablauf des Tages der Eintragung in das Handelsregister endet Dabei ist zur Berechnung der nach § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG anzusetzenden Beträge regelmäßig die Erstellung einer (steuerlichen) Zwischenbilanz auf den Zeitpunkt des Endes des Rückwirkungszeitraums erforderlich, auch wenn damit administrativer Mehraufwand einher geht. Da im Streitfall eine solche Bilanz nicht erstellt worden war, hatte das FG die positiven Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum zutreffend im Schätzungswege ermittelt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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