Zum veranlagungszeitraumbezogenen Begriff der wesentlichen Beteiligung (StEntlG 1999/2000/2002)
BFH 11.12.2012, IX R 7/12Der Kläger war im Streitjahr 1999 an einer AG mit einem Aktienbestand von 9,22 % beteiligt. In den zuvor mit 13,52 %. Am 1.12.1999 veräußerte er 50.000 Aktien und erzielte dabei einen Gewinn von rund 12,8 Mio. DM, den das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr zunächst voll der Besteuerung nach § 17 EStG i.d.F. des Streitjahres unterwarf.
Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 7.7.2010 (2 BvR 748/05 u.a.) § 17 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 S. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 teilweise als nichtig erkannt hatte, erließ das Finanzamt einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, indem es bezugnehmend auf das BMF-Schreiben vom 20.12.2010 für den Zeitraum vom 31.3.1999 bis zum 1.12.1999 einen Veräußerungsgewinn von rund 8,3 Mio. DM erfasste.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der Kläger erfüllte mit der Anteilsveräußerung im Streitjahr 1999 keinen Steuertatbestand.
Die Beteiligungsbegriff gem. § 17 Abs. 1 S. 4 EStG i.d.F. des (StEntlG) 1999/2000/2002 ist veranlagungszeitraumbezogen auszulegen, indem das Tatbestandsmerkmal "innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt" in § 17 Abs. 1 S. 1 EStG für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist. Die Wesentlichkeitsgrenze von mindestens 10% galt nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999. Daraus folgt umgekehrt, dass sie für frühere Veranlagungszeiträume nicht anwendbar war. Deshalb war die Veräußerung im vorliegenden Fall nicht zu besteuern, denn der Kläger war vor 1999 mit höchstens 13,52% nicht mehr als 25% und ab 1999 mit 9,22% nicht zu mindestens 10% und damit nie wesentlich am Kapital der AG beteiligt gewesen.
Diese Auslegung vermeidet von vornherein eine Rückwirkung des Gesetzes. Sie ist allerdings nicht auf die geltende Rechtslage zu § 17 Abs. 1 EStG übertragbar, die keine Wesentlichkeitsgrenze mehr kennt. Dem entspricht auch der vom BVerfG hervorgehobene Zweck der Veräußerungsgewinnbesteuerung. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes und des BMF hatte das BVerfG in seiner Entscheidung keine Stellung zu dem Tatbestandsmerkmal des § 17 Abs. 1 EStG bezogen, um das es im vorliegenden Fall ging. Es hatte vielmehr allgemeine Maßstäbe zu den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes entwickelt und nicht das einfache Recht ausgelegt.
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