16.10.2013

Zum Verhältnis von allgemeinem Besteuerungsverfahren und Vorsteuer-Vergütungsverfahren

Im Ausland ansässige Unternehmen, die gem. § 18 Abs. 3 S. 1 UStG Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr abgeben müssen, sind berechtigt und verpflichtet, alle in diesem Kalenderjahr abziehbaren Vorsteuerbeträge in dieser Steuererklärung geltend zu machen. Im Fall einer Steuerfestsetzung durch das Finanzamt entfaltet § 59 UStDV bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung für gleichzeitig geltend gemachte Vorsteuerbeträge keine Sperrwirkung für das allgemeine Besteuerungsverfahren.

BFH 28.8.2013, XI R 5/11
Der Sachverhalt:
Die im Ausland ansässige Klägerin unterhält eine Spedition und ist im internationalen Transportgeschäft tätig. Sie führte im Inland Transportdienstleistungen aus und erbrachte im Streitjahr 2002 nur Umsätze, für die gem. § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 UStG die Leistungsempfänger die Steuer schuldeten. Die Leistungen wurden in der Weise abgerechnet, dass die Leistungsempfänger der Klägerin Gutschriften mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer erteilten.

Die Klägerin stellte fristgerecht einen Antrag auf Vorsteuervergütung und wies auf die oben genannte Vorgehensweise hin. Nachdem die zuständige Behörde Bedenken geäußert hatte, nahm sie den Vergütungsantrag zurück. Im September 2005 reichte die Klägerin dann beim Finanzamt eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr ein, in der sie Umsätze gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Vorsteuerbeträge erklärte.

Abweichend davon erfasste das Finanzamt die Umsatzsteuer als von der Klägerin nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldet. Außerdem könnten die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge im allgemeinen Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren nach § 18 Abs. 3 UStG nicht berücksichtigt werden, weil insoweit ausschließlich das (besondere) Vorsteuer-Vergütungsverfahren nach § 18 Abs. 9 UStG eingreife. Die Klägerin habe i.S.v. § 59 Nr. 2 UStDV im Streitjahr nur Umsätze ausgeführt, für die gem. § 13b UStG die Leistungsempfänger die Steuer schuldeten.

Die Klägerin war der Ansicht, dass sie die Vorsteuerbeträge auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend machen könne. Ein Vorrang des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens nach § 59 Nr. 2 UStDV bestehe nicht. Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin die im Streitjahr entstandenen Vorsteuerbeträge nicht im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend machen kann.

Ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der gem. § 18 Abs. 3 S. 1 UStG eine Steuererklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, ist - entgegen der Ansicht des FG - berechtigt und verpflichtet, alle in diesem Kalenderjahr entstandenen Vorsteuerbeträge in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung geltend zu machen (entgegen Abschn. 18.15. Abs. 1 S. 2 UStAE). Dem steht nicht entgegen, dass nach § 18 Abs. 9 UStG zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren durch Rechtsverordnung geregelt werden kann.

§ 18 Abs. 9 UStG und das im Streitjahr geltende Vorsteuer-Vergütungsverfahren beruhen auf Art. 17 Abs. 3 u. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. der Richtlinie 79/1072/EWG. Letztere bezweckt eine Vereinfachung und Beschleunigung der Vorsteuererstattung an im Ausland ansässige Steuerpflichtige in bestimmten Fällen. Sie bezweckt aber nicht, dass im allgemeinen Besteuerungsverfahren allein für im Ausland ansässige Unternehmer die Möglichkeit versagt wäre, den Vorsteuerabzug geltend machen zu können.

Infolgedessen lagen im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung des Vergütungsverfahrens nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. § 59 UStDV nicht vor. Zwar handelte es sich bei der Klägerin um ein im Ausland ansässiges Unternehmen, das entsprechend § 59 Nr. 2 UStDV nur Umsätze ausgeführt hatte, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldete. Gleichwohl reichte dies aber für die Anwendung des Vergütungsverfahrens nicht aus; denn im Fall einer Steuerfestsetzung durch das Finanzamt entfaltet § 59 UStDV bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung für gleichzeitig geltend gemachte Vorsteuerbeträge keine Sperrwirkung für das allgemeine Besteuerungsverfahren.

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