Zum Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
BFH 14.11.2012, XI R 17/12Die Klägerin ist eine GmbH und betrieb im Streitjahr 2003 einen Kfz-Handel. Sie lieferte im Januar 2003 einen Porsche 911 Carrera 4S Coupe umsatzsteuerfrei an die in Italien ansässige "Abnehmerin" T. Das Fahrzeug wurde durch Vermittlung einer Firma S. durch einen Bevollmächtigten bei der Klägerin abgeholt. Dieser bezahlte den Kaufpreis bar. Als Abholer trat ein Herr B. auf, von dem sich die Klägerin eine Kopie des Personalausweises vorlegen ließ. Die Unterschrift des B. auf der Empfangsbestätigung wich allerdings von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie ab.
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung behandelte das Finanzamt den bis zu diesem Zeitpunkt als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung angesehenen Umsatz als steuerpflichtig und erließ einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid. Die Versagung der Steuerfreiheit für die Lieferung an T. beruhte auf einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen, nach der T. ein Scheinunternehmen war.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Mit seiner Revision macht das Finanzamt die Verletzung materiellen Rechts geltend. Bei Barverkäufen hochwertiger Gegenstände seien an die Sorgfaltspflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen. Der BFH hob das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Das Urteil des FG verletzte § 6a Abs. 4 S. 1 UStG. Im weiteren Verfahren muss geprüft werden, ob für das Fahrzeug Porsche 911 Carrera die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.
Die Vertrauensschutzregelung war nicht anwendbar. Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung zwar gem. § 6a Abs. 4 S. 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können allerdings Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen.
An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der (angeblichen) innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein Barkauf mit Beauftragten zugrunde liegt. Die innergemeinschaftliche Lieferung von hochwertigen PKW bei Abholung durch einen Beauftragten gegen Barzahlung birgt eine umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr. Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Obwohl im vorliegenden Fall die Unterschrift unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie - auf den ersten Blick erkennbar - ganz erheblich abwich, hat die Klägerin die oben benannte besondere Sorgfalt nicht walten lassen.
Das FG war diesbezüglich von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hielt insbesondere die Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Unterschrift ggf. einen "Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers ermöglichen" müsse, per se für unverhältnismäßig und ließ den Umstand, dass die Unterschriften nicht übereinstimmten, bei der Würdigung, ob die Klägerin mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hatte, unzutreffend von vornherein außer Acht. Zwar kann sich eine Unterschrift im Laufe der Jahre verändern und eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem wenig Platz für die Unterschrift besteht, ein anderes Bild als auf sonstigen Unterlagen haben. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die auffälligen Unterschiede in die Prüfung und Würdigung gar nicht erst mit einzubeziehen.
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