06.12.2013

Zum Verzicht auf Besteuerung als Kleinunternehmer durch Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung

In Zweifelsfällen müssen Finanzämter die Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform sie ihre Umsätze unterwerfen wollen. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht einfach angenommen werden.

BFH 24.7.2013, XI R 14/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit Juli 2004 mit dem Handel von Telekommunikationszubehör und Postwertzeichen unternehmerisch tätig. Im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung gab er gegenüber dem Finanzamt an, die Kleinunternehmerregelung i.S.d. § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch zu nehmen, da sein voraussichtlicher Gesamtumsatz die gesetzlichen Grenzen nicht überschreiten werde.

Der Kläger gab für die Jahre 2004 und 2005 keine Umsatzsteuererklärung ab. Im Jahr 2005 hatte er steuerpflichtige Umsätze mit dem Verkauf von Telekommunikationszubehör i.H.v. brutto 16.123 € und steuerfreie Umsätze mit dem Verkauf von Postwertzeichen i.H.v. 4.425 € getätigt. Da er irrtümlich der Ansicht war, dass bei der Berechnung des Gesamtumsatzes des Vorjahres i.S.d. § 19 Abs. 1 u. 3 UStG von 17.500 € auf die von ihm ausgeführten steuerpflichtigen Umsätze die Umsatzsteuer von 16 % hinzuzurechnen sei, und er deshalb davon ausging, die Umsatzgrenze von 17.500 € i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 UStG überschritten zu haben, reichte er unter Mitwirkung eines Steuerberaters eine Umsatzsteuererklärung (Vordruck USt 2 A) mit Anlage UR für das Jahr 2006 beim Finanzamt ein.

Im Vordruck USt 2 A (Angaben zur Besteuerung der Kleinunternehmer [§ 19 Abs. 1 UStG]) nahm der Kläger keine Eintragungen vor. Das Finanzamt änderte die Festsetzung entsprechend. Nach Eintritt der Bestandskraft des Umsatzsteuer-Jahresbescheids für 2006 beantragte der Kläger für 2006 die (Nicht-)Besteuerung als Kleinunternehmer mit der Begründung, die dafür nach § 19 Abs. 1 u. 3 UStG erforderlichen Voraussetzungen lägen vor. Dies lehnte das Finanzamt ab.

Im Januar 2009 reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung mit Anlage UR für das Streitjahr 2007 ein, in der er u.a. Steuer nach § 13b UStG erklärte. Später beantragte er unter Verweis auf die Begründung für das Vorjahr, die Umsatzsteuer für das Jahr 2007 auf 0 € festzusetzen. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab. Mit Einreichung der Umsatzsteuererklärung für 2007 hatte der Kläger zugleich den Antrag gestellt, die Umsatzsteuer für 2007 aus sachlichen Billigkeitsgründen gem. § 163 AO "niedriger festzusetzen", da "stets die Voraussetzungen der Kleinunternehmerregelung i.S.d. § 19 UStG vorlagen". Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Das FG gab der Klage mit dem Antrag, die Umsatzsteuer für 2007 auf 0 € festzusetzen, statt. Der Kläger habe nicht nach § 19 Abs. 2 S. 1 UStG zur Regelbesteuerung optiert, da keine "Erklärung" vorliege. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das Urteil des FG verletzte § 19 Abs. 2 S. 1 u. 2 UStG.

Ein Unternehmer, der die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 S. 1 UStG erfüllt, weil er die dort genannten Umsatzgrenzen nicht überschreitet (sog. Kleinunternehmer), hat gem. § 19 Abs. 2 S. 1 UStG die Möglichkeit, auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG zu verzichten. Für die Auslegung und Anwendung des § 19 Abs. 2 S. 1 UStG gelten folgende Grundsätze:

Ein Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer (sog. Option zur Regelbesteuerung) kann dem Finanzamt gegenüber auch konkludent abgegeben werden. Der Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 S. 1 UStG darf weder in dem Sinn verstanden werden, dass der Gesetzgeber für die Option einen bestimmten Erklärungswortlaut habe vorschreiben wollen, noch ist hieraus zu schließen, dass eine Option allein durch eine ausdrückliche Erklärung vorgenommen werden könnte.

Eine Option zur Regelbesteuerung durch konkludentes Verhalten kann von einem sog. Kleinunternehmer auch in der Weise erklärt werden, dass dieser dem Finanzamt auf einem für die Regelbesteuerung vorgesehenen Vordruck eine Umsatzsteuererklärung einreicht, in welcher er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes berechnet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat.
Bei der diesbezüglichen Würdigung kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Von ihnen hängt es ab, ob durch das Finanzamt der Inhalt einer Steuererklärung zweifelsfrei zugleich als Erklärung zur Ausübung des steuerrechtlichen Gestaltungsrechts aufgefasst werden darf oder ob dem Inhalt eine solche Bedeutung nicht zukommt.

In Zweifelsfällen muss das Finanzamt den Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will. Die Beseitigung etwa bestehender Zweifel ist wegen der erheblichen Rechtsfolgen, nämlich der nach § 19 Abs. 2 S. 2 UStG für mindestens fünf Kalenderjahre geltenden Bindung des Verzichts auf die Kleinunternehmerbesteuerung, aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht angenommen werden.

Das FG war allerdings von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hielt für die Beurteilung, ob mit der Umsatzsteuererklärung für 2006 konkludent auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtet worden war, unzutreffend "einen Erklärungswillen", dass der Kläger "die Regelbesteuerung in Anspruch nehmen" will, für maßgebend. Die BFH-Rechtsprechung stellt dagegen zur konkludenten Ausübung des Optionsrechts nach § 19 Abs. 2 UStG darauf ab, ob der Erklärungsempfänger - hier das Finanzamt - das Verhalten des Steuerpflichtigen als Willenserklärung und Ausübung eines Gestaltungsrechts auffassen durfte (s.o.).

Der Senat konnte aufgrund der vom FG bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger mit der Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 2006, in der er die Steuer selbst nach den allgemeinen Vorschriften des UStG berechnet hatte, konkludent auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtete. Im Verzichtsfall würde ihn die Erklärung nach § 19 Abs. 2 S. 2 UStG mindestens für fünf Kalenderjahre - und damit auch im Streitjahr 2007 - binden.

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