Zum Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung im Insolvenzfall
BFH 20.12.2012, V R 23/11Der Kläger ist Handwerker. Über sein Vermögen wurde im Mai 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter gab im Verfahren jährlich Umsatzsteuererklärungen ab, mit denen er die seinem Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 80 InsO) unterliegenden Umsätze nach der Regelbesteuerung versteuerte. Im April 2006 nahm der Kläger eine neue Tätigkeit als Maler und Fußbodenleger auf, die er mit nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenständen ausübte.
Für das Streitjahr 2006 reichte der Kläger eine Umsatzsteuerjahreserklärung ein, in der er die Anwendung der Kleinunternehmerregelung geltend machte. Das Finanzamt folgte dem nicht und erließ einen Umsatzsteuerjahresbescheid, aus dem sich eine Umsatzsteuer von rd. 1.044 € ergab.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Dem Insolvenzverwalter steht die Befugnis zu, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 2 S. 1 UStG zu verzichten. Er übt diese Befugnis mit Wirkung für das gesamte Unternehmen des Insolvenzschuldners aus.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung gilt der Grundsatz der Unternehmenseinheit auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers fort. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren Unternehmensteilen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können.
Zu unterscheiden sind der vorinsolvenzrechtliche Unternehmensteil, gegen den Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden sind (§§ 174 ff. InsO), der die Insolvenzmasse betreffende Unternehmensteil, gegen den Masseverbindlichkeiten geltend zu machen sind, sowie ggf. das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen, bei dem Steueransprüche gegen den Insolvenzschuldner persönlich ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen geltend gemacht werden können. Diese aus insolvenzrechtlichen Gründen bestehenden Unterschiede bei der Durchsetzung des umsatzsteuerrechtlich einheitlichen Steueranspruchs ändern aber nichts an dem Grundsatz, dass der Insolvenzschuldner umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen hat.
Daher muss die Summe der gegenüber dem Insolvenzverwalter und der gegenüber dem Insolvenzschuldner festgesetzten Umsatzsteuer die nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes entstandene Jahresumsatzsteuer für das gesamte Unternehmen ergeben. Hieraus folgt zugleich, dass der Verzicht nach § 19 Abs. 2 UStG nur einheitlich für das gesamte Unternehmen ausgeübt werden kann. Die Befugnis, den Verzicht nach § 19 Abs. 2 UStG zu erklären, steht ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter zu, da das Verwaltungs- und Verfügungsrecht nach § 80 Abs. 1 InsO auf ihn übergeht. Im Streitfall hat der Insolvenzverwalter danach entsprechend der Rechtsprechung des Senats durch die Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet.
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