Zum Vorsteuerabzug bei einem kraft Gesetzes erfolgenden Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung
Kurzbesprechung
BFH v. 12.7.2023 - XI R 14/22
UStG § 15a Abs 7, § 19, § 24, § 27 Abs 32
EGRL 112/2006 Art 302, 112/2006 Art 192, 112/2006 Art 295, 112/2006 Art 184
JStG 2020 Art 11 Nr. 6 Buchst a, Art 11 Nr. 7
Streitig war, ob die Steuerpflichtige, die bis einschließlich 2021 (Streitjahr) ihre Umsätze aus ihrem landwirtschaftlichen Unternehmen nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG versteuerte, Vorsteuer aus Rechnungen abziehen kann, deren Aufwendungen zwar im Streitjahr entstanden sind, jedoch für Umsätze im Jahr 2022 verwendet werden sollten, einem Jahr, in dem sie wegen des Überschreitens der Grenze von 600.000 € zur Regelbesteuerung übergehen musste. Der BFH gab dem FA Recht und entschied, dass die Steuerpflichtige im Streitjahr Vorsteuer nur im Umfang der Umsatzsteuer auf die erzielten Umsätze geltend machen konnte.
Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze werden im Streitjahr die Steuer gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf jeweils 10,7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Dadurch gleichen sich Steuer und Vorsteuer aus, so dass der Landwirt im Ergebnis für diese Umsätze keine Umsatzsteuer zu entrichten hat. Nach diesen gesetzlichen Grundlagen hatte das FA im Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 2021 die Umsatzsteuer zutreffend auf 0 € festgesetzt.
Der Vorsteuerabzug aufgrund tatsächlicher Leistungsbezüge für den landwirtschaftlichen Betrieb war bei Leistungsbezug nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen; denn das Verbot eines weiteren Vorsteuerabzugs gemäß § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG bezieht sich auf den Zurechnungsbereich des Leistungsbezugs zu den land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen. Der Vorsteuerabzug erfolgt pauschal. In der zunächst sinngemäß enthaltenen und später ausdrücklich ausgesprochenen gesetzlichen Anordnung in § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG des Inhalts, dass ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt, ist eine Regelung zu sehen, mit der ausgeschlossen wird, dass neben der Vorsteuerpauschalierung (§ 24 Abs. 1 UStG) zusätzlich aufgrund von einzelnen Leistungsbezügen für den unter § 24 UStG fallenden Unternehmensteil nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 UStG Vorsteuern abgezogen werden dürfen.
Besteht ‑ wie im Streitfall ‑ im Jahr des Leistungsbezugs nur ein der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegendes landwirtschaftliches Unternehmen, so kommt von vornherein nur eine Zuordnung der Eingangsleistung zu diesem Unternehmen in Betracht mit der Folge, dass statt des Abzugs der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer gemäß § 15 UStG nur eine Vorsteuerentlastung nach § 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG, bemessen nach Ausgangsumsätzen, eintritt.
Die bereits im Streitjahr mögliche Option zur Regelbesteuerung (§ 24 Abs. 4 UStG), die dazu geführt hätte, dass statt pauschaler Leistungsbezüge die tatsächlichen Leistungsbezüge (§ 15 UStG) berücksichtigt werden, hatte die Steuerpflichtige nicht ausgeübt.
Die gesetzliche Einführung der Gesamtumsatzgrenze von 600.000 €, die auf Umsätze anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2021 bewirkt werden (§ 24 Abs. 1 Satz 1 UStG i.d.F. des Art. 11 Nr. 6 Buchst. a JStG 2020, § 27 Abs. 32 UStG i.d.F. des Art. 11 Nr. 7 JStG 2020), führte im Streitjahr nicht zu einer anderen Beurteilung. Kommt es zwischen Leistungsbezug und Verwendungsumsatz zu einem Übergang von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung, gelangt mit § 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG eine gesetzliche Vorschrift zur Anwendung, die eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs ermöglicht und damit Inkongruenzen ausgleicht. Im Fall des Wechsels ist zunächst der (weitere) Vorsteuerabzug nach § 15 UStG aufgrund der Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen und nach dem Wechsel zur allgemeinen Besteuerung gegeben.
Das Unionsrecht steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn nach Art. 302 MwStSystRL hat ein Pauschallandwirt, der einen Pauschalausgleich in Anspruch nimmt, in Bezug auf die dieser Pauschalregelung unterliegenden Tätigkeiten kein Recht auf Vorsteuerabzug. Geht der Steuerpflichtige von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung über oder umgekehrt, können nach Art. 192 MwStSystRL die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um zu vermeiden, dass dem Steuerpflichtigen dadurch ungerechtfertigte Vorteile oder Nachteile entstehen. Ebenso wie § 15a Abs. 7 UStG sieht Art. 192 MwStSystRL den Übergang von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung oder umgekehrt als Fall der Berichtigung des Vorsteuerabzugs an.
Verlag Dr. Otto Schmidt
UStG § 15a Abs 7, § 19, § 24, § 27 Abs 32
EGRL 112/2006 Art 302, 112/2006 Art 192, 112/2006 Art 295, 112/2006 Art 184
JStG 2020 Art 11 Nr. 6 Buchst a, Art 11 Nr. 7
Streitig war, ob die Steuerpflichtige, die bis einschließlich 2021 (Streitjahr) ihre Umsätze aus ihrem landwirtschaftlichen Unternehmen nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG versteuerte, Vorsteuer aus Rechnungen abziehen kann, deren Aufwendungen zwar im Streitjahr entstanden sind, jedoch für Umsätze im Jahr 2022 verwendet werden sollten, einem Jahr, in dem sie wegen des Überschreitens der Grenze von 600.000 € zur Regelbesteuerung übergehen musste. Der BFH gab dem FA Recht und entschied, dass die Steuerpflichtige im Streitjahr Vorsteuer nur im Umfang der Umsatzsteuer auf die erzielten Umsätze geltend machen konnte.
Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze werden im Streitjahr die Steuer gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf jeweils 10,7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Dadurch gleichen sich Steuer und Vorsteuer aus, so dass der Landwirt im Ergebnis für diese Umsätze keine Umsatzsteuer zu entrichten hat. Nach diesen gesetzlichen Grundlagen hatte das FA im Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 2021 die Umsatzsteuer zutreffend auf 0 € festgesetzt.
Der Vorsteuerabzug aufgrund tatsächlicher Leistungsbezüge für den landwirtschaftlichen Betrieb war bei Leistungsbezug nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen; denn das Verbot eines weiteren Vorsteuerabzugs gemäß § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG bezieht sich auf den Zurechnungsbereich des Leistungsbezugs zu den land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen. Der Vorsteuerabzug erfolgt pauschal. In der zunächst sinngemäß enthaltenen und später ausdrücklich ausgesprochenen gesetzlichen Anordnung in § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG des Inhalts, dass ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt, ist eine Regelung zu sehen, mit der ausgeschlossen wird, dass neben der Vorsteuerpauschalierung (§ 24 Abs. 1 UStG) zusätzlich aufgrund von einzelnen Leistungsbezügen für den unter § 24 UStG fallenden Unternehmensteil nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 UStG Vorsteuern abgezogen werden dürfen.
Besteht ‑ wie im Streitfall ‑ im Jahr des Leistungsbezugs nur ein der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegendes landwirtschaftliches Unternehmen, so kommt von vornherein nur eine Zuordnung der Eingangsleistung zu diesem Unternehmen in Betracht mit der Folge, dass statt des Abzugs der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer gemäß § 15 UStG nur eine Vorsteuerentlastung nach § 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG, bemessen nach Ausgangsumsätzen, eintritt.
Die bereits im Streitjahr mögliche Option zur Regelbesteuerung (§ 24 Abs. 4 UStG), die dazu geführt hätte, dass statt pauschaler Leistungsbezüge die tatsächlichen Leistungsbezüge (§ 15 UStG) berücksichtigt werden, hatte die Steuerpflichtige nicht ausgeübt.
Die gesetzliche Einführung der Gesamtumsatzgrenze von 600.000 €, die auf Umsätze anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2021 bewirkt werden (§ 24 Abs. 1 Satz 1 UStG i.d.F. des Art. 11 Nr. 6 Buchst. a JStG 2020, § 27 Abs. 32 UStG i.d.F. des Art. 11 Nr. 7 JStG 2020), führte im Streitjahr nicht zu einer anderen Beurteilung. Kommt es zwischen Leistungsbezug und Verwendungsumsatz zu einem Übergang von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung, gelangt mit § 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG eine gesetzliche Vorschrift zur Anwendung, die eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs ermöglicht und damit Inkongruenzen ausgleicht. Im Fall des Wechsels ist zunächst der (weitere) Vorsteuerabzug nach § 15 UStG aufgrund der Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen und nach dem Wechsel zur allgemeinen Besteuerung gegeben.
Das Unionsrecht steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn nach Art. 302 MwStSystRL hat ein Pauschallandwirt, der einen Pauschalausgleich in Anspruch nimmt, in Bezug auf die dieser Pauschalregelung unterliegenden Tätigkeiten kein Recht auf Vorsteuerabzug. Geht der Steuerpflichtige von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung über oder umgekehrt, können nach Art. 192 MwStSystRL die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um zu vermeiden, dass dem Steuerpflichtigen dadurch ungerechtfertigte Vorteile oder Nachteile entstehen. Ebenso wie § 15a Abs. 7 UStG sieht Art. 192 MwStSystRL den Übergang von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung oder umgekehrt als Fall der Berichtigung des Vorsteuerabzugs an.