Zum Vorsteuerabzug bei Teilleistungen
BFH 18.4.2013, V R 19/12Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH. Diese schloss im August 1998 einen Lizenzvertrag mit einer GbR ab, wonach die GbR u.a. als "Inhaber eines deutschen Patents" der GmbH eine ausschließliche Lizenz für die Herstellung und den Vertrieb bestimmter Vorrichtungen einräumte. Die GmbH hatte Lizenzgebühren "in Abhängigkeit von der kumulierten Anzahl der verkauften Vertragsgegenstände" zu entrichten. Für die Kalenderjahre nach 1999 verpflichtete sich die GmbH "Mindestlizenzgebühren" für die im Einzelnen jeweils bezifferte Anzahl von Lizenzgegenständen zu entrichten.
Im Dezember 2000 stellte die GbR der GmbH für das Jahr 2000 Mindestlizenzgebühren zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung. Im Februar 2001 reichte der Kläger als Geschäftsführer der GmbH eine Umsatzsteuer-Voranmeldung Dezember 2000 ein, in der die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer berücksichtigt wurde. Der Vorsteuerüberhang wurde vom Finanzamt im Februar 2001 ausgezahlt. Im März 2001 kündigte die GmbH wegen Problemen mit der Rechtmäßigkeit des Patents den Lizenzvertrag fristlos. Die Rechnung von Dezember 2000 blieb unbezahlt.
Mit der im Februar 2003 eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2000 wurde der Vorsteuerabzug aus der Rechnung der GbR berichtigt. Der sich hieraus ergebende Rückforderungsanspruch des Finanzamts wurde nicht beglichen. Im September 2004 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Oktober 2004 wurde der Kläger vom zuständigen AG wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Danach ergab sich die Steuerhinterziehung aus der Auszahlung der Vorsteuer zu einem Zeitpunkt, zu dem die dem Vorsteuerabzug zugrunde liegende Forderung bereits bestritten wurde. Das Finanzamt nahm den Kläger mit Haftungsbescheid von November 2006 für rückständige Umsatzsteuer 2000 nach § 71 AO in Haftung.
Das FG wies die gegen den Haftungsbescheid gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Anders als das FG entschieden hat, liegen die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 71 AO bereits mangels objektiver Steuerverkürzung nicht vor, da die GmbH zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs im Jahr 2000 berechtigt war.
Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet gem. § 71 AO für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO. Im Streitfall war die GmbH im Dezember 2000 materiell-rechtlich zum Vorsteuerabzug berechtigt, so dass die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung Dezember 2000 nicht zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Nach der für den Haftungszeitraum geltenden Fassung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG war der Unternehmer berechtigt, als Vorsteuerbetrag "die in Rechnungen i.S.d. § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind" abzuziehen.
Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, war er nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG berechtigen neben Leistungen auch Teilleistungen. Teilleistungen liegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Nach der Rechtsprechung des BFH sind derartige Teilleistungen z.B. bei Mietverträgen über eine bestimmte (Mindest-)Laufzeit gegeben, wenn sie in mtl. Zahlungs- und Leistungsabschnitte untergliedert sind und durch die mtl. Zahlungsaufforderungen oder -belege konkretisiert werden.
Im Streitfall führte die Vereinbarung der für einzelne Kalenderjahre geschuldeten Mindestlizenzgebühr zu Teilleistungen. Ebenso wie bei einem Mietvertrag sah der Lizenzvertrag eine bestimmte Gesamtlaufzeit vor, wobei für einzelne Zeiträume der vertraglichen Gesamtlaufzeit ein jeweils eigenständiges Entgelt zu entrichten war. Bei diesen Einzelzeiträumen wie z.B. dem Kalenderjahr 2000 handelte es sich um Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung, für die gesonderte Entgeltvereinbarungen vorlagen. Daher kommt es für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs entgegen dem FG-Urteil nur auf die Erbringung der Teilleistung und die Erteilung der Rechnung, nicht aber auch auf die Bezahlung der Rechnung an, so dass im Hinblick auf den für Dezember 2000 vorgenommenen Vorsteuerabzug auch keine Berichtigungspflicht nach § 153 AO bestehen konnte.
Hat die GmbH den Vorsteuerabzug für das Jahr 2000 zu Recht in Anspruch genommen, kann der Haftungsanspruch auch nicht auf eine unterlassene Berichtigung nach § 17 UStG im Jahr 2000 gestützt werden. Die Berichtigungspflicht aufgrund der Vertragskündigung betrifft entgegen der Auffassung des Finanzamts nicht das Jahr des Vorsteuerabzugs (2000), sondern führt nach § 17 Abs. 1 S. 3 UStG zu einer Berichtigung für den Besteuerungszeitraum und damit für das Jahr, in dem die Uneinbringlichkeit eingetreten ist. Die Berichtigung war daher nicht für das Jahr des Vorsteuerabzugs, sondern erst für das Folgejahr 2001 vorzunehmen.
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