04.06.2020

Zum Vorsteuerabzug einer Holding (Konzeptionskosten einer Holdingstruktur) bei angeblicher Dienstleistungskommission

Um die Unternehmenseigenschaft einer Holdinggesellschaft zu begründen, müssen ihre steuerbaren Ausgangsleistungen an ihre Tochtergesellschaften grundsätzlich keine besondere "Eingriffsqualität" aufweisen. Es reicht außerdem aus, wenn solche Leistungen in Zukunft beabsichtigt sind. Eine Dienstleistungskommission i.S. des § 3 Abs. 11 UStG im Verhältnis zu Tochtergesellschaften liegt nicht vor, wenn jenen eine wirtschaftlich nicht teilbare Gesamtleistung anteilig zugeordnet wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 12. 12. 2020 - XI R 24/18

UStG § 3 Abs. 11, § 15 Abs. 1 S 1 Nr. 1
FGO § 118 Abs. 2
AO § 163

Vorsteuerabzug

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Eine Holdinggesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne dass sie --unbeschadet ihrer Rechte als Aktionärin oder Gesellschafterin-- unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, ist keine Mehrwertsteuerpflichtige i.S. von Art. 9 MwStSystRL und somit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Aktien stellen für sich genommen keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der MwStSystRL dar, die den Erwerber bzw. Inhaber zum Steuerpflichtigen machen würde, da diese Vorgänge nicht die Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen beinhalten, weil das einzige Entgelt aus ihnen in einem etwaigen Gewinn beim Verkauf dieser Aktien liegt.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die finanzielle Beteiligung an einem anderen Unternehmen unbeschadet der Rechte, die dem Anteilseigner in seiner Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung begründet worden ist, soweit ein solcher Eingriff die Vornahme von Umsätzen einschließt, die gemäß Art. 2 MwStSystRL der Mehrwertsteuer unterliegen, wie die Erbringung von administrativen, buchführerischen, finanziellen, kaufmännischen, der Informatik zuzuordnenden und technischen Dienstleistungen. Dabei handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung; der Begriff "Eingriff einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft" ist dahin zu verstehen, dass er alle Umsätze umfasst, die eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellen und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden.

Außerdem sind, da die wirtschaftlichen Tätigkeiten i.S. der MwStSystRL mehrere aufeinander folgende Handlungen umfassen können, die vorbereitenden Tätigkeiten bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen. Somit muss jeder, der die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt, als Steuerpflichtiger gelten.

Da die entgeltlichen Ausgangsleistungen an die Tochtergesellschaften damit keine besondere Qualität (z.B. i.S. eines "Eingreifens") aufweisen müssen, und auch ein Bezug der Leistungen vor Gründung der Tochtergesellschaften der Annahme einer unternehmerischen Tätigkeit nicht entgegen steht, da allein darauf abzustellen ist, dass seit Gründung der Steuerpflichtigen die Absicht zur Erzielung umsatzsteuerbarer Umsätze bestanden hat, ist von einer unternehmerischen Tätigkeit auszugehen, wenn die Steuerpflichtige steuerbare Ausgangsleistungen an ihre Tochtergesellschaften erbracht hat.

Dienstleistungskommission i.S. des § 3 Abs. 11 UStG
Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nach § 3 Abs. 11 UStG liegt eine sog. Dienstleistungskommission vor, wenn ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet wird und er im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt. Dabei folgt das Umsatzsteuerrecht für die Bestimmung der Leistungen und der Leistungsbeziehungen grundsätzlich dem Zivilrecht.

Im Streitfall hatte das FG festgestellt, dass die Steuerpflichtige an die Tochtergesellschaften Rechnungen gestellt hat, mit denen Kosten für Leistungen weiterbelastet wurden, die im überwiegenden Interesse der Tochtergesellschaften von der Steuerpflichtigen bezogen wurden. Diese Rechnungen wurden bezahlt und von den Tochtergesellschaften wurden entsprechende innergemeinschaftliche Erwerbe in Italien erklärt. Dabei stützte das FG seine rechtliche Würdigung, dass die Steuerpflichtige im Streitzeitraum Leistungen gegen Entgelt im Wege der Dienstleistungskommission an ihre Tochtergesellschaften erbracht habe, auf "mündliche Vereinbarungen" zwischen der Steuerpflichtigen und den Tochtergesellschaften. Dies war jedoch nicht frei von Rechtsfehlern, weshalb der Streitfall an die Vorinstanz zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurückverwiesen wurde.

Insbesondere fehlten ausreichende Feststellungen des FG, um abschließend beurteilen zu können, ob die Steuerpflichtige eigene Leistungen an die Tochtergesellschaften im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustauschs erbracht hat oder ob es sich hierbei um nicht steuerbare Gesellschafterbeiträge handelte. Soweit das FG im zweiten Rechtsgang feststellen kann, dass sie steuerpflichtige Ausgangsleistungen an ihre Tochtergesellschaften erbracht hat, ist ihr der Vorsteuerabzug aus den von ihr bezogenen Eingangsleistungen für diese Ausgangsleistungen zu gewähren. Der zu gewährende Vorsteuerabzug würde auch die Eingangsleistungen umfassen, die ohne Weiterberechnung direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Klägerin zusammenhängen.

Sollte die Steuerpflichtige die Due Diligence-Leistungen bezogen haben und mit ihnen unternehmerisch tätig geworden sein, steht ihr insoweit der Vorsteuerabzug aus den bezogenen Leistungen zu. Hinzu käme noch ein (ggf. anteiliger) Vorsteuerabzug für die Allgemeinkosten.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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