Zum Zuflusszeitpunkt verbilligter Arbeitnehmeraktien
BFH 30.6.2011, VI R 37/09Streitig ist, ob der geldwerte Vorteil aus vom Arbeitgeber verbilligt bezogenen amerikanischen Aktien beim Arbeitnehmer zugeflossen ist, solange diese Aktien weder handelbar, lieferbar noch beleihbar sind. Der Kläger erzielte in den Streitjahren (2000, 2001) als Arbeitnehmer der A-GmbH (ab 2001 A-AG) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die A-Inc., USA, Muttergesellschaft der Arbeitgeberin des Klägers, gewährte dem Kläger 1997 Optionen auf den Erwerb von Aktien der A-Inc. Der Kläger erwarb in Ausübung der Optionen in den Jahren 2000 und 2001 Aktien, sog. "restricted shares" i.S.v. Rule 144 des SEC Act of 1933.
Nach den Feststellungen des FG handelte es sich dabei um Aktien, die innerhalb von zwei Jahren weder handelbar noch lieferbar waren und sich auch nicht zur Beleihung eigneten. Nach einer Haltefrist von einem Jahr konnten sie nur unter bestimmten Bedingungen verkauft werden. Eine der Bedingungen war die Einhaltung der Publikationspflichten nach US-Aktienrecht durch die Gesellschaft, die die "restricted shares" ausgegeben hat. Nach einer Sperrfrist von einem weiteren Jahr war ein freier Verkauf möglich. Die Arbeitgeberin hatte den Aktienerwerb angesichts der Verfügungsbeschränkungen lohnsteuerlich nicht erfasst.
Das Finanzamt setzte dagegen mit geänderten und hier streitigen Einkommensteuerbescheiden des Klägers und seiner mit ihm zusammen veranlagten Ehefrau, der Klägerin, die Einkünfte des Klägers entsprechend höher an. Beim Kläger sei ein geldwerter Vorteil aus der Ausübung der Aktienoption als Arbeitslohn bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen, weil der Zufluss des geldwerten Vorteils zu dem Zeitpunkt realisiert sei, zu dem der Kläger durch die Ausübung der Option die Verfügungsmacht an den Aktien erlangt habe.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Soweit das FG den Zufluss des Vorteils in Form von Aktien beim Kläger angenommen hat, tragen die dazu getroffenen Feststellungen des FG diese Entscheidung nicht.
Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG auch vom Arbeitgeber für die Beschäftigung verbilligt überlassene Aktien. Dies setzt allerdings voraus, dass der Vorteil in Form von Aktien auch zugeflossen ist (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG). Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt allein das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei. Einem Zufluss steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Sperr- bzw. Haltefrist die Aktien für eine bestimmte Zeit nicht veräußern kann. Der Erwerber der Aktien ist rechtlich und wirtschaftlich bereits dann Inhaber der Aktie, wenn sie auf ihn übertragen oder auf seinen Namen im Depot einer Bank hinterlegt wird. Denn eine obligatorische Veräußerungssperre hindert den Erwerber von Aktien nicht, sie zu veräußern.
Wenn aber die Übertragung der Aktien in ihrer Wirksamkeit nach § 68 Abs. 2 AktG von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig ist, sind die verfügenden Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung der Gesellschaft wirksam. Hat die Gesellschaft in die Übertragung eingewilligt, ist die Übertragung von Anfang an wirksam; ohne Zustimmung ist die Aktienübertragung zunächst schwebend unwirksam. Wird die Einwilligung verweigert, ist die Übertragung von vornherein unwirksam. Diese aktienrechtlichen Grundsätze zieht der Senat auch für lohnsteuerrechtliche Zwecke hinsichtlich der Frage heran, ob ein Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über Aktien erlangt hat. Aktien sind daher nicht zugeflossen, solange dem Arbeitnehmer eine Verfügung darüber rechtlich unmöglich ist.
Im Lichte dieser Grundsätze hält die Vorentscheidung revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das FG hat festgestellt, dass der Kläger die dem amerikanischen Aktienrecht unterliegenden, sog. "restricted shares" i.S.v. Rule 144 des SEC Act of 1933 in Ausübung der ihm eingeräumten Aktienoptionen erworben hat. Das FG hat indessen keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Weise diese Aktien übertragen werden, insbes., ob das für diese Aktien anwendbare Recht schon eine Inhaberschaft des neuen Aktionärs in der zweigestuften Bindungsphase der "restricted shares" annimmt. Es fehlen insbes. Feststellungen dazu, ob der Kläger entsprechend der vom deutschen Recht getroffenen Unterscheidung gleichsam lediglich schuldrechtlich verpflichtet ist, die Aktien nicht weiter zu veräußern, oder ob es ihm auch schlechterdings rechtlich unmöglich ist, über die Aktien zu verfügen.
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