Zum Zugriff des Finanzamtes auf Daten einer Apotheke
Hessisches FG 24.4.2013, 4 K 422/12Die Klägerin betreibt eine Apotheke. Mit dieser erzielt sie nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. b AO vom Finanzamt gesondert festzustellende Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die sie durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Die Bareinnahmen ihrer Apotheke erfasste die Klägerin bereits für Zeiträume 2007 bis 2009 mit einer sog. PC-Kasse. Die baren Tageseinnahmen stellte sie durch fortlaufende Tagesendsummenbons (Z-Bons) mit anschließender Nullstellung des Kassenspeichers fest. Die Summe der täglichen Bareinnahmen wurde manuell in das Kassenbuch übertragen, das Grundlage der Buchführung war.
Der Aufforderung des Betriebsprüfers im Zuge einer steuerlichen Außenprüfung, betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer, auch die elektronische Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen, kam die Klägerin nicht nach. Zwar legte sie dem Betriebsprüfer eine CD mit Daten aus ihrem Kassensystem vor; die Datei mit der Einzeldokumentation der Verkäufe hatte sie dabei jedoch entfernt. Das Finanzamt forderte die Klägerin daraufhin per Bescheid auf, die Daten bereitzustellen und drohte für den Fall der verspäteten Erfüllung die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes an.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Das Urteil ist allerdings vorläufig nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Für die Aufforderung des Finanzamtes, auch die Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen, bestand keine Rechtsgrundlage. Die Anforderung konnte vor allem nicht auf § 147 Abs. 6 AO gestützt werden.
Für die Klägerin, die nicht an andere gewerbliche Unternehmen, sondern an Endverbraucher liefert, bestand aufgrund der Größe und der Einzelumsatzhäufigkeit weder nach dem HGB noch nach der AO oder nach berufsrechtlichen Bestimmungen eine Verpflichtung dazu, die einzelnen Barverkäufe manuell oder auf einem Datenträger aufzuzeichnen. Die Klägerin konnte sich dabei auf die BFH-Rechtsprechung stützen, wonach es aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität für eine ordnungsgemäße Buchführung auch im Computerzeitalter nicht erforderlich ist, Einzelaufzeichnungen zu führen, wenn der Unternehmer - wie die Klägerin - gegen Barzahlung Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl von Kunden im offenen Ladengeschäft verkauft. In solchen Fällen reicht es aus, die festgestellten Tagesendsummen täglichfortlaufend in ein Kassenbuch zu übertragen. Die Führung des Kassenbuchs soll die Einzelaufzeichnungen gerade ersetzen.
Die Tatsache, dass die Klägerin gleichwohl zusätzlich die einzelnen Barverkäufe freiwillig und programmgesteuert in einer gesonderten Datei mitgeschrieben und gespeichert hatte, änderte nichts daran. Die Datei ist grundsätzlich nicht Bestandteil der nach § 147 AO aufzubewahrenden Grundaufzeichnungen. Dass die Datei für das Finanzamt bei einer Verprobung der Pflichtaufzeichnungen hilfreich und interessant sein könnte, ist unerheblich. Für den Betrieb einer Apotheke ist die gesonderte Aufzeichnung des Warenausgangs und der Einnahmen gerade nicht erforderlich. Allerdings steht es dem Gesetzgeber frei, nach österreichischem Vorbild ein gesetzliches Zugriffsrecht auch für die außerhalb einer gesetzlichen Aufzeichnungspflicht vom Steuerpflichtigen geschaffenen Daten zu schaffen.
Die hier streitige Frage des Bestehens einer Vorlagepflicht nach § 147 AO ist indes strikt von der Frage einer im Übrigen erkennbaren Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung und der dadurch eröffneten Schätzungsbefugnis des Finanzamtes nach § 162 AO zu trennen. Nicht ordnungsgemäße Kassenaufzeichnungen (z.B. Differenzen zwischen den Tagessummen laut Z-Bons und den Eintragungen im Kassenbuch oder die nicht zeitgerechte Führung des Kassenbuchs) lassen den Schluss zu, dass nicht alle Bareinnahmen verbucht wurden und berechtigen das Finanzamt zu Zuschätzungen.
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