14.10.2011

Zur Abgrenzung zwischen Dauerschuld und Finanzierung laufender Geschäftsvorfälle

Ob im Einzelfall die Finanzierung laufender Geschäftsvorfälle oder eine Dauerschuld vorliegt, obliegt der von der Tatsacheninstanz vorzunehmenden Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse. Bei Verbindlichkeiten aus einem unechten Provisions-Factoring handelt es sich um sog. gewerbesteuerliche Dauerschulden.

BFH 24.5.2011, I R 104/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine AG und betrieb im Streitjahr 1997 die Vermittlung von Versicherungen aller Art. Die Klägerin bot als Vertriebsgesellschaft über ihre Vermittler ihren Kunden Versicherungsprodukte der Beratungs-GmbH (B-GmbH) an. Für die erfolgreiche Vermittlung erhielt sie von dieser eine Vergütung, die sie zum Teil als Provisionen an die Vermittler weitergab. Zur Vorfinanzierung ihrer Vergütung verkaufte die Klägerin ihre Provisionsforderungen an eine Provisions-Factoring-GmbH (P-GmbH). Auch die Vermittler schlossen Provisions-Factoring-Rahmenverträge mit der P-GmbH ab.

Die Klägerin trat im Rahmen der Vereinbarung alle künftigen Provisionsansprüche aus den dem Factoringvertrag zugrunde liegenden Vermittlungsgeschäften an die P-GmbH ab. Ebenso übertrugen die Vermittler ihre Provisionsansprüche gegenüber der Klägerin. Vertragsgemäß trug die Klägerin das Bonitätsrisiko. Die Klägerin haftete zusätzlich für den rechtlichen Bestand der Provisionsforderungen und für den fristgerechten Zahlungseingang der Provisionen bei der P-GmbH. Diese erstellte bis zur vollständigen Tilgung der Darlehen monatliche Factoringabrechnungen, die auch die zugrunde liegenden Grundgeschäfte erkennen ließen. In der Bilanz zum Ende 1996 erfasste die Klägerin aufgrund der Factoringverträge (eigene Provisionsansprüche) eine Verbindlichkeit i.H.v. rund 400.914 DM.

Das Finanzamt behandelte die Kreditmittel aus den Provisions-Factoringverträgen als sog. Dauerschulden und erhöhte den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1997. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Im Hinblick auf die Hinzurechnung der Kreditverbindlichkeiten bei der Ermittlung des Gewerbekapitals hatte das FG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung dient eine Schuld grundsätzlich der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn ihr Gegenwert das Betriebskapital länger als ein Jahr verstärkt. Nicht der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals dienen allerdings trotz einer Laufzeit von mehr als einem Jahr Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit laufenden Geschäftsvorfällen stehen und in der nach Art des jeweiligen Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Kredite, die ein Unternehmen zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt.

Ihnen gleichgestellt werden Verbindlichkeiten zur Finanzierung von Gegenständen, die einen Grenzfall zwischen Anlage- und Umlaufvermögen darstellen und deren Anschaffung bzw. Herstellung zu den immer wiederkehrenden, den Gegenstand des Unternehmens ausmachenden üblichen Geschäftsvorfällen gehört. Insoweit kann aus einer über ein Jahr hinausgehenden Laufzeit allein noch nicht auf den Charakter als Dauerschuld geschlossen werden. Ob im Einzelfall nach Maßgabe vorstehender Auslegungsgrundsätze die Finanzierung laufender Geschäftsvorfälle oder eine Dauerschuld vorliegt, obliegt der von der Tatsacheninstanz vorzunehmenden Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse.

Das FG hatte die Voraussetzungen für die Annahme von sog. Dauerschulden ohne Rechtsfehler als erfüllt angesehen. Die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der P-GmbH aus den sog. Factoringausschüttungen - denen wegen des bei der Klägerin verbliebenen Bonitätsrisikos eine sog. unechte Factoringvereinbarung als Darlehensvertrag mit über einjähriger Laufzeit zur vorschussweisen Vergütung der Provisionsansprüche zugrunde lag - waren sog. Dauerschulden und nicht Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs. Die Würdigung des FG, dass die Klägerin über die erlangten Mittel frei verfügen konnte, da eine enge wirtschaftliche oder rechtliche Verknüpfung zwischen den Krediten und den einzelnen Versicherungsvermittlungen gefehlt habe, verletzte weder Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze.

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