25.10.2019

Zur Abgrenzung zwischen gewerblicher und landwirtschaftlicher Tierhaltung bei einer Tierhaltungsgemeinschaft

Ein laufend zu führendes Verzeichnis i.S.d. § 51a Abs. 1 Satz 2 BewG muss nicht zeitnah, sondern lediglich fortlaufend erstellt werden. Auch ein im Rahmen der Außenprüfung nachträglich erstelltes Verzeichnis kann daher den gesetzlichen Anforderungen genügen. Der Finanzverwaltung steht es angesichts des klaren Wortlauts der Anlage 1 zum BewG in der in den Streitjahren 2010 und 2011 geltenden Fassung (a.F.) wegen der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG, § 85 Satz 1 AO) nicht zu, hiervon abweichende, gesetzesändernde Umrechnungsschlüssel in R 13.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStR 2008 zu bestimmen. Eine Umrechnung von erzeugten oder gehaltenen Tieren in Vieheinheiten nach Maßgabe der Umrechnungsschlüssel in R 13.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStR 2008 kommt auch dann nicht in Betracht, wenn sich dies gegenüber der Anwendung der Anlage 1 zum BewG a.F. zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt.

BFH v. 3.7.2019 - VI R 49/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GbR die Aufzucht von Ferkeln. In den Streitjahren (2010 und 2011) erwarb sie kleine Ferkel mit einem Lebendgewicht von ca. 6 kg und zog diese auf, bis sie ein Lebendgewicht von etwa 30 kg erreicht hatten. Abnehmer der von der Klägerin aufgezogenen Tiere waren zum Teil Unternehmen, mit denen die Klägerin gesellschaftsrechtlich verbunden ist, zum Teil fremde Dritte. Gesellschafter der Klägerin waren zunächst A, B und C. Zum 1.7.2008 traten D sowie die aus diesem und A bestehende KG in den Gesellschafterkreis ein, zum 1.7.2011 schieden sie wieder aus der Gesellschaft aus. An ihrer Stelle trat E in den Gesellschafterkreis ein.

Alle Gesellschafter der Klägerin waren Landwirte, die die Voraussetzungen des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a bis c BewG erfüllten. Sie hatten die sich nach § 51 Abs. 1a BewG für sie ergebende Möglichkeit zur landwirtschaftlichen Tiererzeugung oder Tierhaltung in Vieheinheiten ganz oder teilweise auf die Klägerin übertragen (§ 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d BewG). A und D sowie die KG waren darüber hinaus noch an weiteren Tierhaltungsgemeinschaften i.S.d. § 51a Abs. 1 Satz 1 BewG beteiligt, auf die sie ebenfalls Vieheinheiten übertragen hatten.

Die aus der Ferkelaufzucht erzielten Einkünfte wurden von der Klägerin als solche aus Land- und Forstwirtschaft erklärt und für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung für die Jahre 2007 bis 2010 vertrat die Prüferin die Ansicht, die von der Klägerin erzielten Einkünfte seien ab 1.7.2010 nicht mehr als solche aus Land- und Forstwirtschaft, sondern als solche aus gewerblicher Tierhaltung zu qualifizieren.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören auch die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Voraussetzung ist, dass die Tierbestände die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG geregelte Anzahl der Vieheinheiten bezogen auf die vom Inhaber des Betriebs regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht überschreiten. Die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung einer Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) gehören nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG i.V.m. § 51a Abs. 1 BewG auch dann zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn u.a. in sachlicher Hinsicht nach § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG die Anzahl der von der Gesellschaft im Wirtschaftsjahr erzeugten oder gehaltenen Vieheinheiten keine der nachfolgenden Grenzen nachhaltig überschreitet:
  • die Summe der ihr nach § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d BewG von den Gesellschaftern oder Mitgliedern übertragenen Vieheinheiten und
  • die Summe der Vieheinheiten, die sich nach § 51 Abs. 1a BewG auf der Grundlage der Summe der von den Gesellschaftern oder Mitgliedern regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen ergibt.


Die Voraussetzungen des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d BewG und des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG sind durch besondere, laufend zu führende Verzeichnisse nachzuweisen (§ 51a Abs. 1 Satz 2 BewG). Auch eine nachträgliche Erstellung der Verzeichnisse ist insoweit nicht schädlich. Denn unter der "laufenden Aufzeichnung" sind nur die Aufzeichnung der in Frage kommenden Vorgänge in ihrer zeitlichen Reihenfolge zu verstehen, so dass in diesem Sinne Aufzeichnungen auch laufend vorgenommen werden können, wenn sie nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Entstehen der aufzuzeichnenden Vorgänge, sondern erst später erfolgen.

Vorliegend ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin in den Streitjahren erzeugten Tiere nach den sich aus R 13.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStR 2008 ergebenden Schlüsseln umzurechnen sind. Für die Umrechnung in Vieheinheiten ist vielmehr die Anlage 1 zum BewG in der in den Streitjahren geltenden Fassung maßgebend. Der Finanzverwaltung steht es wegen der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht zu, für die Tiere durch Verwaltungsvorschriften davon abweichende Umrechnungsschlüssel vorzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Umrechnung nach Anlage 1 zum BewG zugunsten oder zulasten des Klägerin auswirkt. Die Verwaltung kann auch bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (wie im Streitfall dem Wandel der Landwirtschaft zu aufgespaltenen Produktionsstrukturen) nicht gesetzesändernd davon abweichende Umrechnungsschlüssel bestimmen. Dies ist vielmehr allein Aufgabe des Gesetzgebers, der er mittlerweile mit Wirkung zum 01.01.2012 durch Anpassung der Umrechnungsschlüssel in der Anlage 1 zum BewG auch nachgekommen ist. Da das FG teilweise von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Linkhinweis:

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