Zur Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist durch Antrag des Steuerpflichtigen
BFH 27.11.2013, II R 57/11Die Klägerin ist eine GmbH und war zu 45,5 % an der A-AG beteiligt, die ihrerseits eine Beteiligung von 50 % an der R-AG hielt. Das Finanzamt setzte gegen die Klägerin Vermögensteuer auf den 1.1.1990 fest und berücksichtigte dabei gemäß der im Jahr 1991 eingereichten Erklärung auch den Wert der Anteile der Klägerin an der A-AG. Der zuletzt ergangene Vermögensteuerbescheid aus Dezember 1998 wurde bestandskräftig.
Aufgrund einer Klage der R-AG stellte das FG im Dezember 1999 den gemeinen Wert ihrer Anteile auf den 31.12.1989 auf 509 DM je 100 DM des Grundkapitals fest. Im Hinblick darauf erließ das Finanzamt im Mai 2000 einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der A-AG auf den 31.12.1989 und minderte den Wert dieser Anteile entsprechend. Der Feststellungsbescheid wurde an die A-AG als Empfangsbevollmächtigte u.a. für die Klägerin bekannt gegeben. Die Folgeanpassung des Vermögensteuerbescheids auf den 1.1.1990 für die Klägerin unterblieb jedoch.
Im März 2006 änderte die Finanzbehörde den Einheitswert des Betriebsvermögens für die R-AG auf den 1.1.1990. Den Antrag der R-AG, auch die Anteilsbewertung zum 31.12.1989 zu ändern, lehnte sie ab. Die hiergegen erhobene Klage nahm die R-AG zurück. Das FG stellte das Verfahren im September 2010 ein. Zuvor hatte die Klägerin im Januar 2008 beim Finanzamt beantragt, im Vermögensteuerbescheid auf den 1.1.1990 die Änderungen aus dem gegenüber der R-AG ergangenen Urteil aus Dezember 1999. Dies lehnte die Behörde im Juli 2008 ab, weil Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb erfolglos.
Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin begehrte Änderung des Vermögensteuerbescheids wegen der eingetretenen Festsetzungsverjährung nicht mehr zulässig war.
Aufgrund des geänderten Feststellungsbescheids aus Mai 2000 über die Anteilsbewertung der A-AG auf den 31.12.1989 war der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer der Klägerin bis Mai 2002 gehemmt. Die Ablaufhemmung endete dann im Mai 2002, ohne dass eine Änderung der Vermögensteuerfestsetzung erfolgte. Der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 S. 1 AO im Mai 2002 wurde nicht durch einen rechtzeitig gestellten Antrag der Klägerin auf Änderung der Vermögensteuerfestsetzung gehemmt.
Die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO setzt einen Antrag des von der Steuerfestsetzung betroffenen Steuerpflichtigen voraus. Und im Fall der Änderung eines Grundlagenbescheids wird der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist für die Anpassung des Folgebescheids nach § 171 Abs. 3 AO nur gehemmt, wenn der von dem Folgebescheid betroffene Steuerpflichtige selbst die Änderung des Folgebescheids vor Ablauf der Frist beantragt. Ein im Verfahren über einen Grundlagenbescheid gestellter Antrag auf Änderung der gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen kann nicht dahin ausgelegt werden, dass damit zugleich die Änderung sämtlicher Folgebescheide zugunsten der jeweiligen Steuerpflichtigen beantragt wird.
Demgemäß hemmt die Anfechtung der Anteilsbewertung durch eine Kapitalgesellschaft nicht nach § 171 Abs. 3 AO den Ablauf der Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer eines Anteilseigners. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anteilseigner unmittelbar oder über weitere Gesellschaften an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Infolgedessen wurde die hier im Mai 2002 endende Zwei-Jahres-Frist für die Anpassung der Vermögensteuerfestsetzung auf den 1.1.1990 an die geänderte Anteilsbewertung der A-AG vor ihrem Ablauf nicht durch einen Antrag der Klägerin gehemmt. Die Klägerin hatte nämlich erstmals im Januar 2008 und damit erst nach dem Ablauf der Frist beim Finanzamt die Änderung der Vermögensteuerfestsetzung beantragt.
Eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer trat auch nicht dadurch ein, dass die R-AG nach der Änderung des Bescheids über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1.1.1990 aus März 2006 eine Änderung des Bescheids über die Anteilsbewertung zum 31.12.1989 beantragt hatte. Es ist zudem mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar, dass die Änderung eines (Folge-)Bescheids nach Eintritt der Festsetzungsverjährung unzulässig ist, wenn die Finanzbehörde ihrer Anpassungspflicht aus § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO nicht rechtzeitig nachgekommen ist und der Steuerpflichtige seinerseits keinen rechtzeitigen Antrag i.S.d. § 171 Abs. 3 AO gestellt hat. Letztlich ist die Finanzbehörde auch nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, die Vermögensteuerfestsetzung gegenüber der Klägerin trotz Eintritts der Festsetzungsverjährung abzuändern.
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